Virus
entwickelnden Nebels sah man nun praktisch gar nichts mehr. Erschrocken ließ der Mann Marissas Arm los. Sie warf sich auf den Boden und entdeckte, daß sie unter den Käfigen durchrutschen konnte. Sie kroch von dem Mann weg und hoffte, daß sie die richtige Richtung zum Hauptraum eingeschlagen hatte. Schließlich erhob sie sich wieder und bewegte sich nach Gefühl vorwärts. Offenbar war mit einer Beendigung der Desinfektionsdusche erst zu rechnen, wenn der Auslösehebel des Notalarms zurückgeschoben wurde. Ihre Atemluft wurde qualvoll knapp. Sie brauchte dringend frische Luft.
Plötzlich sprang etwas vor ihr auf, und fast hätte sieaufgeschrien. Aber es war nur einer der Affen, sichtlich in Panik wegen der tödlichen Atmosphäre. Das Tier klammerte sich einen Augenblick lang an sie, riß dann ihren Schutzanzug an der Schulter auf und verschwand.
Keuchend streckte Marissa die Hand aus und tastete die Belüftungsröhren entlang. Schließlich ertastete sie eine Anschlußbuchse und hing ihren Luftschlauch an.
Durch den schrillen Lärm der Alarmanlage hörte Marissa Bewegungen im nächstgelegenen Gang, dann erstickte Rufe. Sie nahm an, daß ihr Verfolger keine Anschlußbuchse finden konnte. Aber Marissa rechnete damit, daß der zweite Mann seinem Komplizen zu Hilfe kommen würde, zog ihren Luftschlauch wieder aus der Anschlußbuchse und bewegte sich auf das Licht zu, wobei sie wie eine Blinde die Arme vorstreckte. Bald wurde das Licht gleichmäßiger, und sie nahm an, daß sie jetzt wieder im Hauptraum des Laboratoriums war. Sie ging in Richtung Wand, stieß an die Tiefkühltruhe und erinnerte sich daran, daß sie darüber eine Anschlußbuchse gesehen hatte. Für die Dauer einiger hastiger Atemzüge schloß sie ihren Luftschlauch an und tastete sich auf die Tür zu. Sobald sie sie erreicht hatte, drehte sie das Entriegelungsrad – die Tür schwang auf, und sie betrat den Desinfektionsraum.
Da sie bereits ausgiebig dem desinfizierenden Phenolregen ausgesetzt gewesen war, hielt sie sich nicht länger mit dem vorgeschriebenen Desinfektionsgang auf. Im nächsten Raum riß sie sich den Schutzanzug herunter und rannte dann in den dahinterliegenden Raum, wo sie die Schränke mit den Arbeitsanzügen gegen die Tür kippte. Sie glaubte zwar nicht, daß dadurch das Öffnen der Tür verhindert werden würde, aber immerhin konnte es das Vorwärtskommen ihrer Verfolger verlangsamen.
In rasender Eile schlüpfte sie in ihre gewöhnliche Kleidung und machte dann sämtliche Schalter aus, wodurch selbst die Umkleideräume in Dunkel gehüllt und die Ventilatoren abgeschaltet wurden. Endlich dem Hochsicherheitslabor entronnen, durchquerte Marissa den Virologiebau, rannte über den Laufgang und dann, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppen des Hauptgebäudes hinunter. Sie atmete tief durch, als sie durch die Haupteingangshalle schritt und versuchte gelassen zu wirken. Der Wachmann saß links an seinem Pult und telefonierte. Er schien gerade jemandem zu erklären, daß biologischer Alarm ausgelöst worden sei, nicht aber Alarm in bezug auf eine der Sicherheitstüren.
Obwohl sie daran zweifelte, daß ihre Verfolger den Sicherheitsdienst um Hilfe gebeten hatten, nachdem sie gerade versucht hatten, sie umzubringen, zitterte sie doch heftig, als sie ihren Ausgang eintrug. Sie hörte noch, daß der Wachmann auflegte, nachdem er zuletzt seinem Gesprächspartner mitgeteilt hatte, daß man verzweifelt bemüht sei, den Leiter der Virologieabteilung telefonisch zu erreichen.
»Halt!« schrie der Wachmann ihr nach, als Marissa sich der Tür zuwandte. Sie spürte ihr Herzklopfen bis in die Kehle. Für einen Augenblick dachte sie an Flucht; sie war nur noch wenige Schritte von der Tür entfernt. Dann hörte sie den Wachmann rufen: »Sie haben vergessen, die Zeit einzutragen!« Marissa ging zurück und füllte pflichtschuldigst die Zeitspalte aus. Einen Augenblick später war sie im Freien und rannte auf ihren Wagen zu.
Sie hatte die Strecke zum Haus von Ralph schon zur Hälfte zurückgelegt, als sie endlich nicht mehr zitterte und darüber nachdenken konnte, welch schreckliche Entdeckung sie gemacht hatte. Das fehlende Klümpchen mit Ebola-Viren konnte kein Zufall sein. Es war vom selben Stamm wie die Viren, welche die letzten Ausbrüche quer durch die Vereinigten Staaten ausgelöst hatten. Irgend jemand setzte den Virus ein, und entweder unbeabsichtigt oder mit voller Absicht wurden Ärzte und ganze Krankenhäuser in unterschiedlichen
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