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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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überaus hübsches blondes Mädchen in einem motorisierten Rollstuhl, und Sid, der einen blauen Irokesenschnitt und einen Ring durch die Nase trug. Typisch Kalifornien, dachte Kait anerkennend. Marisol führte Sid ins hintere Labor.
    Joyce bedeutete Kait, sich auf ein Sofa vor dem Fenster zu setzen. »Du wirst mit Fawn arbeiten, musst sie dir aber mit Rob teilen«, sagte sie. »Rob ist zuerst dran. Du kannst dich also noch ein bisschen entspannen.«

    Kaitlyn machte das nichts aus. Sie freute sich auf die bevorstehenden Tests, war aber auch nervös. Was, wenn sie versagte? Sie hatte ihre Kräfte noch nie auf Geheiß entfalten können, einmal abgesehen von Joyce’ Sehtest, und damals hatte sie ja gar nicht gewusst, dass sie ihre Gabe überhaupt einsetzte.
    »Also, Rob«, sagte Joyce. Sie hatte an Fawns Finger einen Pulsmesser angebracht. »Wir machen sechs Versuche von jeweils fünf Minuten. Ich werde dich darum bitten, einen Zettel aus der Schachtel hier zu ziehen. Wenn draufsteht heben, versuchst du, Fawns Puls ansteigen zu lassen. Wenn dort steht senken, versuchst du, ihn zu senken. Wenn dort steht unverändert, veränderst du gar nichts. Verstanden?«
    Rob blickte stirnrunzelnd von Fawn zu Joyce. »Ja, Madam, aber – «
    »Nenn mich Joyce. Ich werde die Ergebnisse festhalten. Du sagst niemandem, was auf dem Zettel steht, sondern tust es einfach.« Joyce sah auf die Uhr und nickte dann zu der Schachtel hin. »Fang an, zieh.«
    Rob hatte die Hand schon an der Schachtel, ließ sie aber wieder sinken und ging vor dem Rollstuhl auf die Knie.
    »Hast du große Schmerzen in den Beinen?«
    Fawn warf Joyce einen raschen Blick zu und sah dann wieder Rob an. »Ich habe MS, Multiple Sklerose,
schon seit meiner Kindheit. Manchmal kann ich gehen, aber im Moment ist es ziemlich schlimm.«
    »Rob …«, sagte Joyce.
    Rob schien sie nicht zu hören. »Kannst du das Bein anheben?«
    »Nicht sehr hoch.« Sie hob das Bein ein paar Zentimeter an und ließ es dann wieder auf die Fußstütze des Rollstuhls plumpsen.
    »Rob«, sagte Joyce. »Niemand erwartet von dir, dass du … Wir können so etwas nicht messen.«
    »Entschuldigen Sie, Madam«, sagte Rob leise, ohne sich zu Joyce umzudrehen. »Und wie ist es mit dem hier?«, fragte er Fawn. »Kannst du das anheben?«
    »Nicht so hoch wie das andere.« Das Bein hob und senkte sich wieder.
    »Das ist gut so. Okay, halt jetzt einfach nur still. Es wird vielleicht ein bisschen warm oder kalt, aber mach dir darum keine Sorgen.« Rob umfasste das Fußgelenk des Mädchens.
    Joyce verdrehte die Augen und sah zur Decke. Dann seufzte sie ergeben und setzte sich neben Kaitlyn.
    »Das hätte ich wahrscheinlich wissen müssen«, sagte sie und ließ beide Hände, die Stoppuhr in der einen, das Notizbuch in der anderen, aufs Sofa sinken.
    Kaitlyn beobachtete Rob.
    Sein Kopf war ihr zugewandt, doch es war offensichtlich, dass er sie nicht wahrnahm. Es schien, als
lausche er auf etwas, während seine Finger flink über Fawns Knöchel strichen. Als würde es ihn ablenken, wenn er den Fuß ansehen würde.
    Kaitlyn war fasziniert von seinem Gesicht. Egal, was sie von Jungs im Allgemeinen halten mochte, ihr Künstlerauge konnte sich der Tatsache nicht verschließen, dass er ebenmäßige, aufrichtige Züge hatte, mit den Augen eines Träumers. Und dem hartnäckigen Kinn eines Kämpfers, fügte sie innerlich hinzu, während sie Joyce einen belustigten Blick zuwarf.
    »Wie fühlt sich das an?«, fragte Rob.
    »Ich … es kitzelt ein bisschen«, sagte Fawn mit einem atemlosen, nervösen Lachen. »Oh!«
    »Versuch noch einmal, den Fuß hier anzuheben.«
    Fawns Turnschuh hob sich diesmal gut zwanzig Zentimeter über die Fußstütze.
    »Das habe ich schon lange nicht mehr geschafft!«, keuchte sie. »Nein – du hast das geschafft.« Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Du hast es geschafft«, sagte Rob und lächelte. Er atmete schwer. »Und jetzt das andere Bein.«
    Kaitlyn verspürte einen Stich Eifersucht.
    Dieses Gefühl kannte sie noch nicht. Es war ein ähnlicher Schmerz wie damals, in Ohio, als sie Marcy Huangs Partyplänen gelauscht hatte. Doch jetzt, als sich Rob auf Fawn konzentrierte … Wie Fawn ihn ansah!

    Joyce kicherte. »Genau dasselbe habe ich an seiner Schule auch erlebt«, erzählte sie Kait leise. »Die Mädchen fallen reihenweise in Ohnmacht, wenn er kommt, und er merkt es nicht einmal. Der Bursche hat keine Ahnung, dass er so sexy ist.«
    Genau, dachte Kait, er hat keinen

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