Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
hätte ich gedacht, dass ich nach Tiger so schnell wieder in der Lage wäre, mich neu zu verlieben.“
„ Wow“, macht Lily und klingt in meinen Ohren nicht sehr überzeugend, „ging ja ziemlich schnell.“
„ Ja“, lächelt meine süße Freundin, „es hat einfach nur Boom gemacht.“
„ Boom“, wiederholt Lily tonlos und knabbert an ihrer Unterlippe.
Ich überlege, ob ich vielleicht meinen Senf auch mal dazu geben soll.
Schließlich sitzen wir drei ja gemeinsam hier draußen in der Kälte und frieren uns den Arsch ab.
Allerdings bereitet mir der Umstand, dass weder Rheena noch Lily mich beachten, reichlich Kopfzerbrechen.
„Denkst du, es geht ihm genau so wie dir?“
Lilys Frage hat einen lauernden Unterton, bei dem sich mir die Haare auf meinen Unterarmen aufrichten.
Rheena ist allerdings mit ihrer Schwärmerei zu beschäftigt, um den negativen Beiklang in Lilys Stimme zu bemerken.
Was mich außerdem wuschig macht, ist die Kleinigkeit, dass ich nicht mal weiß, von wem, in drei Teufels Namen, hier überhaupt die Rede ist.
Auch wenn ich ahne, um wen es hier geht.
„Ich denke es nicht nur“, beantwortet Rheena mit einiger Verspätung schließlich Lilys Frage, „ich weiß es sogar.“
„Ach ja?“
„ Ja“, jubelt Rheena, „Vic hat mir gesagt, dass er noch nie zuvor so für ein Mädchen empfunden hat, wie für mich.“
Vic! Ich hab's gewusst!
Aber warum hat mein Bruder mir nichts davon erzählt?
Und – noch viel wichtiger – warum hat Rheena, meine beste Freundin, mir nichts davon erzählt?
Oder, anders ausgedrückt, warum hab ich von alldem nichts bemerkt?
Und Kay!
Was ist mit ihm?
Sollten seine empathischen Sinne ihm nicht schon längst vermittelt haben, was da offensichtlich zwischen meinem Bruder und meiner Freundin vorgeht?
Wenn das der Fall ist, und ich bin einhundert Pro sicher, dass es das ist, warum, zur Hölle, hat er mir davon nichts gesagt?
Gerade will ich meinen Mund öffnen, um wenigstens einen Teil meines Fragen-Katalogs abzuarbeiten, als Lily mir zuvor kommt.
„Was sagt Kim denn dazu?“
Halloho! Kim sitzt neben euch … frag sie doch einfach!
Rheenas Mundwinkel erfahren eine rasante Abwärtsbewegung.
Eben noch lächelnd nach oben gezogen, verziehen sich ihre Lippen zu einem traurigen Brückenbogen.
„ Ich weiß nicht, was mit Kim los ist“, antwortet Rheena traurig, „irgendwas verschweigt sie mir.“
Ich? Fuck, ich weiß ja nicht mal, was hier los ist!
Rheena scheint endlich aus ihrem Wolken-Kuckucks-Heim gekrochen zu sein und bemerkt nun auch Lilys verzweifelten Gesichtsausdruck.
„ Was soll diese ganze Fragerei, Lily? Gibt es etwas, das du mir sagen willst?“
Lily holt tief Luft.
„Ich will nicht, dass Vic dir weh tut, Rheena“, flüstert sie.
„ Wie meinst du das?“
Aus Rheenas ohnehin immer blassem Gesicht ist jegliche noch vorhandene Farbe gewichen.
Lily rutscht unbehaglich auf der Treppe herum.
„ Raus mit der Sprache!“, fordert meine beste Freundin.
„ Na ja“, windet sich Lily, „es ist nur so, dass Vic … also … er hat versucht ...“
„Was?“, faucht Rheena, „was hat er versucht?“
„ Er hat mich angemacht, okay?“
Rheena sitzt da, wie von Schlag getroffen … und ich ahme ihre Bewegung in absoluter Harmonie nach.
What? Never!
Niemals würde Vic so etwas tun!
Wenn Rheena sagt, dass mein Bruder ihr seine Gefühle gestanden hat, dann hat er das getan, weil er tief und ehrlich empfindet.
Auf gar keinen Fall würde er mit den Gefühlen eines Mädchens spielen.
„ Rheena, du glaubst doch nicht etwa, was Lily da sagt?“
Endlich schaffe ich es, etwas zu sagen … und werde mit totaler Nichtachtung gestraft!
Was, zur Hölle, ist denn hier los?
„ Bist du sicher, Lily?“
Rheena sieht ihre Schwester mit so fassungslos-traurigem Blick an, dass sich mir das Herz zusammenzieht.
Aber warum antwortet sie mir nicht?
„Rheena“, antwortet Lily leise, „würde ich dich anlügen?“
Meine Freundin schüttelt kaum merklich den Kopf.
„ Vorhin, als ich kurz im Garten war, kam er zu mir. Wir haben uns einige Zeit unterhalten und … ach, Rheena … du weißt ja, wir hatten schon immer einen ähnlichen Geschmack, was Jungs angeht ...“
„Willst du damit sagen, dass du auch in Vic verknallt bist?“
Ach … du … heilige Scheiße! Geht's noch ein bisschen komplizierter?
„Nein“, antwortet Lily hastig, „nicht verknallt. Also, jedenfalls nicht in Vic, so wie ich ihn kenne.“
„Was soll das denn
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