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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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vielleicht, manchmal …«
    Ganz offensichtlich hatte die Herrin des Hauses keine Ahnung, was um sie herum vorging.
    »Oder macht das vielleicht die andere junge Frau, die, die ich noch nicht kennengelernt habe?«
    Signora Paoletti antwortete nicht sofort, sondern hob die Tasse an die Lippen, sehr vorsichtig, als wäre sie bis zum Rand gefüllt. Das war sie nicht, aber die Hände der Frau zitterten unkontrolliert, Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Sie musste einen gewaltigen Brummschädel haben. »Wahrscheinlich meinen Sie Frida«, erklärte sie mit vor Anstrengung gekrauster Stirn. »Entschuldigen Sie, ich sollte eigentlich längst angezogen sein.«
    Sie warf einen verängstigten Blick zur Treppe. Die Entschuldigung galt nicht wirklich dem Maresciallo. Offensichtlich hatte sie auch dann noch Angst vor Paoletti, wenn er gar nicht im Haus war.
    »Tut mir leid, aber zur Zeit geht es mir nicht gut.«
    »Verstehe. Ihre Tochter, Silvana, hat mir alles erklärt … Kein Wunder nach solch einem schlimmen Schock, erst die Sache mit Ihrem Mann und jetzt Ihre Tochter.«
    Sie hob die Tasse wieder an die Lippen und nippte daran.
    »Es ist Milch«, erklärte sie, als habe er sich danach erkundigt, »Milch mit einem Tropfen Kaffee. Kaffee pur vertrage ich nicht.«
    »Ja, ein starker Kaffee kann ganz schön auf den Magen schlagen.«
    Hätte er besser nicht kommen sollen? Doch! Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Staatsanwalt dieser Frau auch nur die kleinste Information würde abringen können. Hatte er es nicht bereits versucht? Bestimmt hatte sie schon was gegen den Kater genommen, und die Milch und der Toast beruhigten ihren Magen hoffentlich so weit, dass man mit ihr reden konnte. Als sie dann aber die Tasse absetzte und mit unbewegter Miene fragte, ob ihre Tochter tot sei, brachte ihn eine derart unvermittelte Gesprächseröffnung doch ziemlich aus der Fassung.
    »Ja, Signora, sie ist tot. Eigentlich bin ich heute nur hergekommen, um Ihnen zu sagen, dass die Autopsie abgeschlossen ist und der Staatsanwalt sie nun sehr bald zur Beerdigung freigeben wird. Sie werden Vorbereitungen für die Beerdigung treffen wollen.«
    »Nein, nein, das kann ich nicht. Darum können wir uns erst kümmern, wenn mein Mann wieder zu Hause ist.«
    »Ja natürlich, verstehe.«
    »Wo ist Piero?«
    »Ich weiß nicht … bei seiner Tante vielleicht?«
    »Ganz allein? Wir dürfen Silvana nicht allein mit ihm lassen.«
    »Ja, da haben Sie recht. Sie ist noch immer ganz durcheinander – aber jetzt ist ja jemand im Haus, der ihr zur Hand gehen kann.«
    »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich glaube, ich muss …«
    Der Maresciallo brachte sich lieber rasch in Sicherheit und klopfte an die Tür, durch die das Mädchen verschwunden war.
    »Die Signora braucht Hilfe.«
    Das Mädchen erschien. Wortlos ging sie zu Signora Paoletti hinüber. »Möchten Sie sich anziehen?«
    »Ins Bad. Mir ist übel …«
    Offensichtlich hatten die zwei Frauen die Anwesenheit des Maresciallo ganz vergessen. Das Mädchen half Signora Paoletti auf die Füße. Hinter der Tür, durch die sie zurückgekehrt war, sah er Eimer und Wischer stehen, von denen dieser schwache, aber unverkennbar von Desinfektionsmitteln übertünchte Geruch ausging.
    »Ich finde schon selbst hinaus.«
    »Danke.«
    »Gibt es eine bestimmte Zeit, zu der es der Signora normalerweise bessergeht? Ich würde mich gern mit ihr unterhalten.«
    Danuta zuckte mit den Achseln und verzog das Gesicht zu einer vielsagenden Grimasse: »Sie können es ja mal kurz vor dem Abendessen versuchen, so gegen sieben. Signora! Halten Sie sich nicht am Tisch fest, stützen Sie sich auf mich, nein, auf mich! Ja, so ist’s besser.«
    Der Maresciallo ging die Treppe hoch nach draußen an die frische Luft. An der Tür scholl ihm fröhliches Wassergeplansche entgegen. Er ging bis ans Ende der Auffahrt und wandte sich dann nach links zum Turm. Silvana stand aufrecht in dem blau schimmernden Swimmingpool. Das Wasser tropfte nur so aus ihrem nassen Haar, und hoch über dem Kopf hielt sie einen kleinen, kräftigen, blondlockigen Knaben, der an eine Engelsfigur erinnerte. Das Engelchen mit den pitschnassen Locken weinte, aber sie lachte zu ihm hoch, bis es zu weinen aufhörte und ebenfalls lachte. Der Maresciallo blieb einen Augenblick stehen und beobachtete die beiden. Giovanni war in diesem Alter ebenfalls ein stämmiges Kerlchen gewesen, dunkelbraunes, weiches Haar und große, braune Augen, die verwirrt auf das Meer starrten.

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