Vita Nuova
keine, weil einfach keine da ist. Ist ja schlimmer als im Dampfbad.«
»Warum sind Sie dann in der Stadt? Sie sind doch wohl lange genug bei La Nazione, um Ihren Urlaub so planen zu können, wie Sie wollen.«
»Hab da eine Geschichte am Laufen, und sie muss auch hierbleiben … Wir gehen besser los, hab gesagt, dass wir um halb neun da sind.«
»Ich musste noch nach Hause, mich umziehen, kann mich ja wohl kaum in Uniform dort blicken lassen. Ich hoffe nur, Sie wissen, was Sie da tun.«
»Keine Sorge! Wir sind zwei harmlose Freier, die sich ein bisschen amüsieren wollen, während unsere Frauen mit den Kindern ans Meer gefahren sind.«
»Hm. Ich hab heute noch nichts gegessen. Und Sie sind mit Zahlen dran.«
»Das hier ist Geschäft, kein Vergnügen! Wir haben heute noch einiges vor.«
»So ein Club macht doch nicht vor elf auf.«
»Davon war ja auch nicht die Rede. Wir haben vorher noch eine Verabredung. Fahren wir mit Ihrem oder mit meinem Wagen?«
»Jeder mit seinem. Dann kann jeder zurückfahren, wann und wie es ihm passt. Ich folge Ihnen.«
In der Hauptstraße des Kurortes herrschte Hochbetrieb. Bis sie dort ankamen und die Autos geparkt hatten, war es stockdunkel. Clubs, Bars und Restaurants hatten die Leuchtschilder eingeschaltet, die größeren Clubs zogen mit blinkenden Neonlichtern die Aufmerksamkeit auf sich. Zwischen den Paaren und kleineren Grüppchen bewegten sich ein paar fast schon verwahrlost aussehende Mädchen, wahrscheinlich aus Osteuropa, die die flanierende Menge aufmerksam beobachteten.
»Auf der Suche nach Freiern«, kommentierte der Maresciallo.
»Um diese Uhrzeit? Nein, die halten Ausschau nach einem einsamen Mann, der ihnen ein Abendessen spendiert.«
Die Mädchen sahen wirklich halb verhungert aus und konnten eine ordentliche Mahlzeit bestimmt gut vertragen. Eine von ihnen hatte Ähnlichkeit mit Danuta. Eigentlich sahen ihr alle ein wenig ähnlich, nicht die Gesichtszüge, aber dieser Ausdruck in den Gesichtern …
»Kommen Sie schon, Guarnaccia. Sie können nicht alle füttern. Wir haben eine Verabredung, schon vergessen?«
Ihre Verabredung allerdings sah nun wirklich nicht so aus, als leide sie Hunger. Eine ausgesprochen attraktive, junge Frau, lange, schwarze Locken, funkelnde Augen und eine ordentliche Portion Selbstvertrauen. Drei Monate lang hatte sie im Emperor als Tänzerin vorn an der Stange gearbeitet und hatte den Club wieder verlassen, als ihr Vertrag auslief. Sie war eine Freischaffende, hatte einen Agenten, der ihr sichere, gutbezahlte Jobs verschaffte, und bis zum Ende dieser Saison würde sie genug Geld zusammenhaben, um nach Rumänien zurückzukehren und das Studium der Betriebswirtschaft wieder aufnehmen zu können. Sie musste die beiden Männer fast anschreien, so voll und laut war es in dem Restaurant.
»Und danach?«, wollte der Maresciallo wissen und reichte ihr den geriebenen Käse für die Pasta. »Werden Sie einen Job finden, oder müssen Sie wieder herkommen?«
»Hierher zurück? Nein, danke. Ich hab mir zu Hause ein bisschen Land gekauft. Zu einem Spottpreis. Jetzt, wo wir zur EU gehören, ist das Land ein Vermögen wert. Ich komme nicht mehr zurück. Nicht, dass es mir hier nicht gefällt, ich habe hier ein paar nette Leute kennengelernt.«
»Meinen Freund Tommaso, zum Beispiel«, warf Nesti ein, legte die Gabel auf den Tisch und griff nach den Zigaretten.
»Hier ist das Rauchen verboten«, informierte ihn der Maresciallo.
»Ich weiß«, gab Nesti zurück und zündete sich seelenruhig die Zigarette an. »Darum steht da ja auch ein Aschenbecher. Sie haben sich eine wirklich gute Partie durch die Lappen gehen lassen, Maddalena.«
»Ja, ich weiß. Tommaso ist wirklich in Ordnung. Er ist Journalist, hat seinen Job bei der Zeitung hier, die Sportberichterstattung ist sein Ein und Alles. Und dann ist da ja auch noch seine Familie. Seine Mutter ist Witwe, nicht mehr allzu gut beieinander. Er wollte, dass ich hierbleibe, dass wir heiraten. Aber ich hab eigene Pläne. Ich will Geld verdienen. Viel Geld. Bestellen Sie mir ein gegrilltes Filetsteak, Nesti. Das ist das Einzige, was man hier essen kann.«
»Ihr Wunsch ist mir Befehl.« Nesti schnippte, ohne aufzublicken, mit dem Finger nach dem Kellner.
»Ich hab um elf noch eine Verabredung in der Bar gegenüber.«
»Haben Sie es denn noch nötig, Freier mitzunehmen, damit Geld in die Kasse kommt?«
»Solange es ein anständiger Kerl ist, der ordentlich zahlt – warum nicht. Das ist ein sauberes
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