Vita Nuova
Geschäft. Sehen Sie sich doch mal hier um, diese Frauen mit ihren gelifteten Gesichtern und den Vuitton-Handtaschen – haben in aller Ruhe ihre Ehegatten blechen lassen, während sie mit seinem besten Freund in der Kiste lagen. Der Unterschied zwischen denen und mir ist, dass sie betrügen, ich nicht. Ich hab nicht mehr viel Zeit. Machen wir jetzt weiter mit der Story oder nicht?«
»Warum sitze ich wohl hier?«
»Und was ist mit dem? Wer ist der?« Ihre hellen Augen bohrten sich prüfend in die des Maresciallo.
»Ich –«
»Er ist in Ordnung. Ein Freund. Hat Kontakte zu den Carabinieri, und letztlich wird die Sache sowieso dort landen. Ich will nur meine Story für die Titelseite, für dramatische Rettungsaktionen hab ich nicht viel übrig.«
»Seien Sie bloß vorsichtig. Tun Sie, was sie sagt, sonst hat sich das mit der Rettungsaktion verdammt schnell erledigt.«
»Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Wie heißt sie?«
»Cristina, aber fragen Sie nicht nach ihr. Sie tanzt heute Abend an der mittleren Stange in einem silberfarbenen Tanga und einer durchsichtigen blauen Bluse, die sie beim Tanzen auszieht. Ihr Haar sieht aus wie meines, und sie hat ein großes, dunkles Muttermal direkt unter der linken Brust. Wenn ihr Auftritt zu Ende ist, kommt sie zu Ihnen an den Tisch.«
»Wie viele Mädchen sind denn dort?«
»Fünf. Aber eigentlich geht es um die anderen beiden, die, die Sie nicht sehen werden.«
Der Maresciallo, zu dessen Revier der Emperor gehörte, hatte mit einem bestimmt recht gehabt: Dieses Haus war definitiv ein Etablissement der gehobenen Preisklasse. Bewachter Parkplatz, großer, gepflegter Garten, dezent beleuchtete Kieswege.
»Das hier alles in Schuss zu halten wird schon ein paar Euro kosten«, stellte Guarnaccia fest. Aus der Entfernung drang Musik an ihre Ohren.
»Bisschen was anderes als so ein Puff in der Stadt, was?«
»War falsch, sie alle dichtzumachen.«
»Bevor sie alt genug waren, einen zu besuchen? Oder spricht da der Beamte aus Ihnen? Bessere Kontrollen, bessere medizinische Versorgung und so?«
»Nein, nein, das ist es nicht. Mir tut es nur leid, diese jungen Mädchen halb erfroren oder klitschnass am Straßenrand stehen zu sehen, die armen Dinger. Das ist nicht in Ordnung. Sie sollten drinnen sein, im Warmen.«
»Nun ja, die Mädchen hier haben es auf jeden Fall hübsch warm.«
Sie öffneten die Tür: Ebenso gut hätten sie sich im Foyer eines Kinos befinden können: die Kasse zur Linken, ein Samtvorhang, dahinter eine Treppe.
»Für zwei, bitte«, sagte Nesti.
»Zum ersten Mal hier?«
»Ja.«
»Dreißig Euro.«
»Kann ich mit Karte zahlen?«
Guarnaccia folge Nesti hinter den Vorhang. Laut dröhnende Discomusik empfing sie. Sie würden sich selbst kaum denken hören, geschweige denn mit Cristina reden können, wer auch immer sie war, aber was blieb dem Maresciallo anderes übrig, als die einmal eingeschlagene Strategie weiterzuverfolgen, auch wenn sich schließlich herausstellte, dass diese Nestis Karriere zuträglicher war als der seinen.
Der schummrige Raum war etwa fünfundzwanzig bis dreißig Meter lang mit Spiegeln an den Wänden, einer Bar am hinteren Ende und einer Bühne in der linken Hälfte, wo drei Tänzerinnen bei bunt flackerndem Licht an Stangen tanzten. Kleine Ledersitzgruppen mit niedrigen Tischen standen im Raum verteilt. Nesti wählte eine direkt gegenüber der Bühne, wo noch niemand saß. Es war nicht sonderlich voll hier, aber vielleicht war es ja noch zu früh. Zumindest für die übliche Kundschaft. Der Maresciallo konnte nur mühsam ein Gähnen unterdrücken.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«
Ein Kellner hatte sich zu ihnen heruntergebeugt.
»Nein, nein …«
»Wir dürfen nicht auffallen«, flüsterte Nesti ihm ins Ohr. »Das ist im Eintritt mit drin.«
»Ein Glas Rotwein, bitte.«
Nesti gab die Bestellung an den Kellner weiter, doch der schüttelte bedauernd den Kopf.
»Sie schenken keinen Wein im Glas aus. Im Ticket ist nur ein ganz normaler Drink enthalten. Trinken Sie doch einen Gin mit Tonic mit mir. Sie können nicht ›nicht trinken‹, wir sind schließlich hier, um uns zu amüsieren! Schon vergessen?«
»Dann bitte einen Grappa.«
Das stellte den Kellner zufrieden, der sich von ihrem Tisch wieder entfernte, um die Getränke zu holen.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie Grappa mögen.«
»Mag ich auch nicht sonderlich.«
Als das Glas vor ihm stand, nippte Guarnaccia zimperlich daran. »Und diesen Lärm
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