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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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großes Zimmer mit einem weißen Bett. Die Frau saß in einem Sessel daneben, allein in dem stillen Raum.
    »Es ist nicht so, wie Sie denken.«
    »Signora …«
    »Kommen Sie rein.«
    Er ging durch den Vorraum mit den Besenschränken aus Metall und betrat ihr Zimmer. Sie war im Nachthemd, schwitzte. Er konnte es riechen, den Schweiß und den Alkohol. Sie war aber noch nicht sehr betrunken, denn in ihrem Schoß lag ein Buch.
    »Nein, Maresciallo, das hier ist kein Gefängnis. Das haben Sie doch gerade gedacht, auch wenn Sie es nicht gesagt haben. Dieses ganze Haus ist …« Sie sah nach oben zu den hohen, schmalen Fenstern mit den dicken Gittern. »Es sieht vielleicht wie ein Gefängnis aus, aber dieses Haus wurde gebaut, um Eindringlinge abzuwehren, nicht um seine Bewohner einzusperren. Das gilt auch für mein Zimmer. Es ist wegen der Treppe, ich komme nicht mehr rauf, wenn ich getrunken habe. Also bleibe ich unten. Setzen Sie sich doch.«
    Er sah sich um, zögerte.
    »Sie werden schon mit dem Bett vorliebnehmen müssen. Das hier ist der einzige Sessel. Ich bekomme normalerweise keinen Besuch. Zumindest kann ich Ihnen einen Drink anbieten. Whisky?«
    »Nein, nein, danke.« Er setzte sich ganz an den Rand des Bettes, am Fußende, wo der große Fernseher stand. Er lief, ohne Ton.
    Sie sah seinen Blick zum Fernseher wandern, bevor er sich ihr zuwandte. »Da kommt nie was wirklich Sehenswertes. Ich mag das Flimmern der Farben, das Gefühl, das sich was bewegt. Der Kasten leistet mir Gesellschaft, ähnlich wie ein Kaminfeuer. Hört sich lächerlich an, oder?«
    »Nein, ich kenne das … ich mache das auch.«
    »Sie?«
    »Ich bin in letzter Zeit viel allein.«
    Sie hob die Flasche hoch. »Wollen Sie wirklich nicht?«
    »Nein, danke.«
    »Trinken Sie nicht? Nun ja, wenn Sie es nicht brauchen.« Sie stellte die Flasche auf den Nachttisch zwischen Bett und Sessel und streichelte sie liebevoll. »Mein bester Freund und Ratgeber. Sie glauben, ich bin Alkoholikerin?«
    »Nein.«
    »Natürlich nicht. Sie waren auf der Beerdigung.«
    »Ja.«
    »Manchen Leuten gelingt es, der ganzen Welt was vorzugaukeln.«
    Der Maresciallo sagte kein Wort.
    »Aber Sie sehen nicht so aus, als ob man Ihnen was vormachen könnte.«
    »Nein.«
    Sie trank. Das Wasserglas war gut über die Hälfte gefüllt. Sie stellte es zurück und schloss das Buch in ihrem Schoß.
    »Ich glaube, bei Ihnen gelingt das nicht einmal meinem Mann, obwohl der nun wirklich eine wundervolle Show hinlegt. Ich trinke zu viel. Selbst wenn ich es nicht will, trinke ich zu viel. Es betäubt mich und hilft mir, den Abend durchzustehen, anschließend trägt es mich in die Bewusstlosigkeit, und ich kann herrlich lang schlafen.«
    »Und wenn Sie aufwachen?«
    »Habe ich einen Kater, klar. Das ist das Wichtigste überhaupt, den Kater richtig hinzubekommen. Die Frage ist nicht, wie viel ich vertrage, ohne mich der Lächerlichkeit preiszugeben, ich trinke hier ganz allein vor mich hin, und irgendwann lasse ich mich einfach ins Bett fallen. Der Kater ist das Wichtigste, er hilft mir, den Nachmittag in einer Art Nebel zu überstehen, vom Restalkohol noch leicht berauscht und mit genau dem richtigen Maß an Kopfschmerzen. Diese Kombination wirkt wie eine Trennscheibe aus Glas, hält die Stimmen draußen. Wenn ich zu viel getrunken habe, ist mir übel, und ich muss mich übergeben, und wenn die Kopfschmerzen zu heftig sind, dringen die Stimmen zu mir durch.«
    »Und die Ohrstöpsel halten die Stimmen ebenfalls draußen, richtig?«
    »Nach dem Abendessen, ja. Ich muss am Abendessen teilnehmen, darauf besteht er, anschließend flüchte ich mich hierher. Die Ohrstöpsel verhindern, dass ich seine Stimme höre. Er schreit.«
    Sein Gefühl sagte ihm, dass er dieser Frau vertrauen konnte, dennoch musste er Vorsicht walten lassen. Sie trank, die Frage, ob sie Alkoholikerin war oder nicht, war dabei völlig unerheblich. Außerdem hatte sie Angst vor ihrem Mann. Sie sprach nie seinen Namen aus. Neben ihrem Bett stand ein Telefon. Ein einziger Anruf aus dem Krankenhaus konnte genügen. Sie hatte ihm bestimmt viel zu erzählen, aber so kurz vor ihrem Einsatz würde er nicht noch das Leben der Kinder aufs Spiel setzen. Er durfte nur das sagen, was er auch dann sagen würde, wenn der Staatsanwalt im Raum wäre.
    »Wenn ich mich nicht irre, dann hat das an jenem Morgen, als ich Sie das erste Mal traf, mit der richtigen Dosierung der Kopfschmerzen nicht hingehauen, oder?«
    »Sie meinen an dem Tag … an

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