Viva Espana
Davina folgte ihm durch das Badezimmer mit der in den Boden eingelassenen grünen Malachitbadewanne und den Armaturen aus demselben Material.
In dem Ankleideraum standen ein Bett und mehrere Kommoden. Nachdem sie wieder allein waren, zog sie Jamie aus und wusch ihn im Badezimmer. Dabei plapperte er unaufhörlich, und sie beantwortete seine Fragen beinah automatisch. Ihre Gedanken schweiften jedoch immer wieder zu seinem Vater.
Der Kleine war gerade fertig, als eine Frau eine köstlich duftende Paella auf einem Tablett hereinbrachte.
Jamie machte sich sogleich mit so viel Appetit über das Essen her, dass Davina lächeln musste. Der Junge hatte offenbar kein Problem damit, mit all dem Neuen, das auf ihn einstürmte, zurechtzukommen. Sie hatte es sich schwieriger vorgestellt.
Nachdem er eingeschlafen war, ging sie wieder ins Wohnzimmer. Zu ihrer Erleichterung war Ruy nicht allein. Sein Bruder leistete ihm Gesellschaft.
„Ruy, willst du es dir nicht noch einmal überlegen?" hörte sie Sebastian fragen. „Du willst doch Davina bestimmt ersparen ..."
„Du meinst, ich solle ihr den Anblick der Narbe ersparen?" unterbrach Ruy ihn hart.
„Warum? Ist mir etwas erspart ge blieben? Nein, Sebastian, meine Frau kann von mir keine Rücksicht erwarten", fügte er unbarmherzig hinzu. „Oder hast du Schuldgefühle, kleiner Bruder, weil du Madre keinen Enkel ge schenkt hast? Dann hätte Davina nicht herkommen müssen."
Davina stöhnte auf. Sogleich drehten sich die beiden Männer zu ihr um.
„Ah, da bist du ja", sagte Ruy betont liebevoll. „Du kannst mir helfen, mich zum Essen umzuziehen."
„Ich möchte nichts essen", erklärte Davina.
In dem Moment mischte Sebastian sich ein. „Das kannst du nicht machen, Ruy! So etwas kannst du deiner Frau nicht zumuten. Bist du völlig gefühllos? Was macht Jamie?"
wandte er sich an Davina. „Hat er sich schon an die neue Umgebung ge wöhnt?"
„Ja, schneller, als ich erwartet habe", erwiderte sie. Sie bemerkte Sebastians schuldbewussten und irgendwie verlegenen Blick. Ihr war natürlich jetzt klar, warum er sich am Flughafen und während der Fahrt so seltsam verhalten hatte. Seine Mutter hatte ihn wahrscheinlich aufgefordert, Ruys Zustand nicht zu erwähnen.
„Ich bin gerührt, wie sehr mein Bruder um dich besorgt ist", sagte Ruy ironisch, als Sebastian weg war. „Du hast doch hoffentlich noch ein anderes Outfit mitgebracht", fügte er hinzu und musterte sie geringschätzig. „Du hast sicher nicht vergessen, dass wir uns zum Essen umziehen, oder?"
Sie hatte es nicht vergessen. Seit Jamies Geburt und ihrer Rückkehr nach England hatte sie kein Geld gehabt für irgend welchen Luxus und elegante Abendkleider. Doch die Outfits, die Ruy ihr nach der Hochzeit gekauft hatte, besaß sie noch. Sie verzog verbittert die Lippen, als sie sich daran erinnerte, wie sehr er sich bemüht hatte, das Beste aus dieser nicht standesge mäßen Ehe zu machen.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass er ihr selbst eine Waffe in die Hand gegeben hatte, sich für alles zu rächen, was er ihr angetan hatte. Sie musste sie nur benutzen. Er verlangte von ihr, die Rolle seines Assistenten zu übernehmen. Na gut, wenn sie es tat, könnte sie mit all den kleinen, intimen Handgriffen, die zu dieser Aufgabe gehörten, Ruy so sehr quälen und demütigen, wie er sie damals gequält hatte.
„Zieh dich um", forderte er sie kurz angebunden auf.
„Soll ich dir nicht erst helfen?" fragte sie.
Ihre sanft klingende Stimme machte ihn offenbar misstrauisch. Er runzelte die Stirn und fuhr im Rollstuhl an ihr vorbei. „Heute Abend nicht", antwortete er unwirsch. „Ich bin hungrig und will nicht stundenlang warten, bis du es geschafft hast. Rodriguez erledigt es in einer halben Stunde." Er sah auf die Uhr und schob den Ärmel seines Hemdes hoch. Beim Anblick seines muskulösen Arms mit den dunklen Härchen, die sich um das goldene Armband seiner Uhr kräuselten, verkrampfte sich ihr der Magen. Allzu gut erinnerte Davina sich daran, wie herrlich sich seine starken Hände auf ihrer Haut angefühlt hatten, als er sie zum ersten Mal geliebt hatte.
3. KAPITEL
Davina hatte damals viele offizielle Essen im Palacio überstanden, aber noch nie war ihr eins so endlos lang vorgekommen wie an diesem Abend. Den Sherry, der in der Bodega der Silvadores in Cadiz heranreifte, rührte sie kaum an.
„Bist du nicht hungrig?" fragte Rosita sie leise und verständ nisvoll.
Doch Ruy hatte es gehört, obwohl er am anderen Ende des
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