Viva Espana
zutraute.
„Was willst du mir denn anbieten? Dein Mitleid? Darauf kann ich verzichten. Du bist hier nur geduldet, sonst nichts, Davina. Komm, es wird Zeit, dass wir uns zurückziehen."
Sie wollte den Rollstuhl schieben, doch Ruy forderte sie mit einer Handbewegung auf, ihm in seine Suite vorauszugehen. Sie tat es und wünschte, ihr Herz würde nicht so heftig pochen. Und sie ärgerte sich, dass sie Mitgefühl für ihn gezeigt hatte. Er war verbittert und verletzte sie absichtlich. Aber der Schmerz, den sie damals empfunden hatte, als ihr klar geworden war, dass er sie nicht liebte, war schlimmer gewesen als alles, was er ihr jetzt noch antun konnte.
Irgendwie hatte sie damit gerechnet, Rodriguez in der Suite vorzufinden. Er war jedoch nicht da. Als sie den Raum durchqueren und nach Jamie sehen wollte, hielt Ruy sie am Handge lenk fest.
„O nein, so leicht kommst du mir nicht davon", erklärte er spöttisch. „Da du freiwillig zurückgekehrt bist, meine Liebe, musst du damit anfangen, dich an die Pflichten zu gewöhnen, die du als meine Frau zu erfüllen hast."
Davina betrachtete den Bademantel, der auf der einen Seite des Betts lag, und ihr seidenes Nachthemd, das auf der anderen Seite lag.
Ruy bemerkte ihren Blick. „Soll ich etwa aus lauter Mitleid mit dir, weil du dazu verdammt bist, neben einem Mann zu schlafen, der kein Mann mehr ist, im Bademantel schlafen?" fragte er.
„Hör auf!" Davina hielt sich die Ohren zu, um Ruys verbittertes Lachen nicht zu hören. Er packte sie jedoch an den Hand gelenken und zog ihre Hände weg. „Wie oft habe ich mir gewünscht, das alles ungeschehen machen zu können. Vielleicht habe ich keine Albträume mehr, wenn du neben mir im Bett liegst. Hilf mir beim Ausziehen", forderte er sie dann unvermit telt auf. „Es war ein ungewöhnlich langer Abend."
Davina warf einen Blick zur Tür und befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zunge.
„Bestimmt kann Rodriguez ...", begann sie unsicher.
„Rodriguez schläft schon", unterbrach er sie ungeduldig. „Soll ich ihn etwa wecken, nur weil du es nicht ertragen kannst, meinen Körper zu sehen? Wovor hast du eigentlich Angst? Vor meinen nutzlosen Beinen?"
Seine Stimme klang kühl, doch Davina spürte seinen Schmerz. Sie befürchtete, er würde die Beherrschung verlieren, wenn die Belastung, der er sich und sie aussetzte, zu groß wur de. Indem er sie quälte, quälte er sich zugleich selbst und riss alte Wunden auf.
Dabei war das alles so sinnlos. Schließlich fing Davina an, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Das war etwas, was sie schon tausend Mal für Jamie gemacht hatte, und es war eigentlich etwas ganz Normales. Doch Ruy war ihr Mann und nicht ihr Kind. Sie spürte sein Herz klopfen, und die dunk len Härchen auf seiner Brust erinnerten sie daran, wie warm und muskulös sich sein Körper angefühlt hatte. Sie erbebte.
„Mach weiter", forderte er sie sogleich mit sanftem Spott auf. „Ich weiß noch genau, wie ungeduldig du damals warst. Es konnte dir nicht schnell genug gehen, und deine Finger haben genauso gezittert wie jetzt. In deinen Augen hat es immer voller Verlangen aufgeleuchtet, aber jetzt wirkt dein Blick eher ängstlich."
Nachdem sie ihm das Hemd aufgeknöpft hatte, betrachtete sie seine Brust, die sich beim Atmen hob und senkte. Auf Ruys Stirn standen Schweißperlchen, und seine Haut fühlte sich unter ihren Händen warm und feucht an. Davina zwang sich, nicht daran zu denken, wie sie mit den Lippen seinen Körper erforscht und mit der Zunge seine Haut bis hinauf zu den Schultern gestreichelt hatte. Mit allen Sinnen hatte sie ihn ge spürt und geschmeckt, und alles um sie her war bedeutungslos gewesen.
Sie bückte sich, um seine Schuhe zu öffnen. In dem Moment ertönte ein Schrei aus dem anderen Raum. Jamie! schoss es ihr durch den Kopf. Sie sah zur Tür.
„Das Kind, das du von mir bekommen hast, muss für dich etwas ganz Besonderes sein, sonst würdest du dir nicht solche Sorgen machen. Was ist an Jamie so außergewöhnlich?" fragte Ruy.
„Er war lange krank", erwiderte sie. „Ich muss mich um ihn kümmern." Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung richtete sie sich auf und eilte in Jamies Zimmer.
Der Junge drückte seinen abgenutzten Teddy an sich und blickte seine Mutter mit großen Augen ängstlich an.
„Mummy, ich hatte Angst, und du warst nicht da", sagte er leise.
„Wovor hattest du Angst, mein Kleiner?" Davina kniete sich neben sein Bett und strich ihm das dichte dunkle Haar aus
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