Viva Espana
mehr gedacht. Rasch griff sie nach dem Gurt und versuchte, ihn zu befestigen. Es gelang ihr jedoch nicht.
„Lass mich das machen." Ruy schob einfach ihre Hände weg und zog den Gurt gerade.
Dabei berührte er mit den schlanken Fingern zufällig eine ihrer Brüste. Es war völlig harmlos und bedeutungslos. Doch Davina wich zurück. Er sollte nicht glauben, sie habe sich absichtlich so dumm angestellt, nur um von ihm berührt zu werden. Seine Finger schienen leicht zu zittern. Aber als er den Gurt befestigt hatte, warf er ihr einen nichts sagenden Blick zu und fuhr weiter.
In dem schnellen Wagen kamen sie gut voran. Dank der Klimaanlage spürten sie die Hitze kaum, die draußen herrschte, und durch die getönten Scheiben konnten die glühenden Strahlen der Sonne nicht ins Innere dringen.
Jamie war begeistert, denn er war das Autofahren nicht ge wöhnt. Es fiel Davina nicht schwer, ihm die Zeit zu vertreiben.
„Am besten machen wir uns jetzt schon Gedanken darüber, in welche Schule Jamie gehen soll", sagte Ruy schließlich.
Es überlief Davina kalt. Natürlich wusste sie, dass Jamie aus dem Babyalter heraus war. Doch wie alle Mütter wollte sie den Tag, an dem sie ihn aus ihrer Obhut entlassen musste, möglichst lange hinauszögern.
„Denkst du an eine bestimmte Schule?" fragte sie jedoch ruhig. „An ein Internat?"
„Nein, vorerst nicht, später vielleicht. In Cordoba ist eine gute Schule, dorthin könnten wir ihn schicken. Ich halte nichts davon, Kinder zu etwas zu zwingen, was ihnen nicht liegt. Aber Jamie muss darauf vorbereitet werden, eines Tages an meine Stelle zu treten.
Es hat natürlich noch Zeit. Wichtig wäre meiner Meinung nach für ihn, dass er nicht nur mit Erwachsenen, sondern auch mit Gleichaltrigen zusammen ist."
Dagegen gab es nichts einzuwenden. Davina drehte sich zu Jamie um und betrachtete ihn.
„Du liebst ihn sehr", stellte Ruy fest.
„Hast du etwas anderes erwartet? Er ist doch mein Kind!"
„Und meins", erinnerte Ruy sie prompt und presste die Lip pen zusammen. „Die Natur hat es wunderbar eingerichtet, dass eine Mutter das Kind eines Mannes lieben kann, für den sie nichts empfindet."
Sie fuhren durch das Tal des Guadalquivir, vorbei an Getreidefeldern, auf denen mit den großen Maschinen das Getreide geerntet wurde. Die Mauren hatten die Bewässerungssysteme angelegt, die das Land fruchtbar gemacht hatten. Davina betrachtete die Olivenbäume mit den silbergrauen Blättern. Die Äste und Zweige bogen sich unter dem Gewicht der reifen Früchte. Jamie kannte noch keine Oliven, und er wollte wissen, wozu sie gut seien.
„Für uns Spanier sind die Oliven ein Symbol von Wohlstand", erklärte Ruy geduldig.
„Sie wurden von den Mauren ins Land gebracht, genau wie Pfirsiche, Granatäpfel und viele andere Früchte. Sevilla war einmal berühmt für seine Schulen, Universitäten und Gelehrten. Menschen aus ganz Europa kamen in diese Stadt, um die Ärzte und Rechtsanwälte zu konsultieren. Deshalb kannst du stolz auf dein Erbe sein, mein Sohn."
Jamie nickte mit feierlicher Miene. Dann lächelte er. „Wenn ich groß bin, will ich wie Daddy sein", sagte er energisch. „Darf ich auf der Estanzia reiten lernen?"
Ruy blickte Davina an.
„Ja, warum nicht? Wir suchen ein Pony für dich aus, und Rodriguez kann dir das Reiten beibringen", entschied er dann.
Wenn er den Unfall nicht gehabt hätte, würde er es selbst tun, überlegte Davina mit Tränen in den Augen.
„Vielleicht kann ich es bei der Gelegenheit auch gleich lernen", schlug sie vor, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte.
„Ich habe mir schon immer gewünscht, reiten zu können."
Ruy schwieg. Er konzentrierte sich darauf, ein landwirtschaftliches Fahrzeug zu überholen. Davina wiederholte die Bitte nicht. In der Hochzeitsnacht hatte er ihr, nachdem sie sich mehrmals geliebt hatten, ins Ohr geflüstert, er wolle ihr unend lich viel beibringen. Er hatte sich angeblich sogar darauf ge freut. Doch Männer versprachen viel in solchen Momenten, ohne es wirklich zu meinen. Schmerzlich erinnerte sie sich daran, wie er sie innig umarmt und ihr die Tränen, die sie vor lauter Glück vergossen hatte, von den Wangen geküsst hatte.
Der Yachtclub Marbellas lag auf einem riesigen Grundstück. Früher einmal war es ein Privathaus gewesen. Von den Veranden hatte man einen herrlichen Ausblick auf den Hafen, in dem ausgesprochen luxuriöse Yachten aller Größen und Nationalitäten ankerten.
Das Meeting würde nicht lange dauern,
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