Vogel-Scheuche
warmem Dampf. Plötzlich verlor sie die Beherrschung. »Ach, du bist ja ein kleines, süßes Ding!« rief sie und preßte Steven eng an sich. Sie sehnte sich so sehr nach einem eigenen Kind.
»Ich denke, Steven dürfte beim Prozeß ganz gut durchkommen«, b e merkte Dolph. »Falls deine Reaktion einigermaßen typisch sein sollte.«
»Das wird wohl so sein«, stimmte sie zu und verpaßte Steven einen Kuß auf die süße Schnauze. »Es gibt schließlich kaum etwas Süßeres als ein Drachenbaby. Wann können sie kommen?«
Dolph beriet sich mit Stanley. Schließlich entschieden sie, Stanley und Steven unmittelbar vor dem Prozeßtermin aufs Namenlose Schloß zu befördern, damit der Familienalltag so wenig wie möglich gestört wurde.
Nur zögernd setzte Metria den kleinen Drachen wieder ab. »Ich muß noch weitere Vorladungen verteilen«, sagte sie, als sie bemerkte, daß die Abenddämmerung es sich zu überlegen begann. »Das ist eine richtige Hetzjagd.«
»Wer ist denn noch übrig?« wollte Dolph wissen.
Sie prüfte die fünf verbliebenen Marken. »Mark Knochen und Sherlock Schwarz sind wohl als nächste dran, glaube ich.«
»Das sind beides Familienväter. Die solltest du wohl morgen aufs u chen.«
»Wahrscheinlich hast du recht. Es bleiben mir ja noch ein paar Tage bis zum Beginn der Verhandlung.«
»Schön, wenn du nichts dagegen hast, fliege ich jetzt zu meiner Frau zurück«, meinte er.
»Dann bis morgen«, erklärte sie ihr Einverständnis.
Er verwandelte sich in den Roc, spreizte die Flügel und schwang sich mit kräftigen Bewegungen dem Streifen aus Tageslicht entgegen, der sich über der Spalte zeigte.
Mit einem Winken verabschiedete Metria sich von der Dampferfamilie und zischte nach Hause. Sie brauchte zwar keine Ruhepause einzulegen, doch würde es ihr trotzdem guttun, ein wenig auszuspannen.
Diese Tätigkeit war gar nicht so übel. Morgen würde sie ihre Vorlad e rei zu Ende geführt haben, lange vor dem vorgesehenen Termin.
13 – MPS
Am Morgen kümmerte sie sich um Alltäglichkeiten, versorgte ihren E hemann mit einer weiteren Tagesdosis Glückseligkeit und überprüfte noch einmal ihre Vorladungsmarken.
Überrascht stutzte sie. Sie hatte eigentlich geglaubt, daß noch fünf ü b rig seien, hatte aber offensichtlich nicht sorgfältig genug nachgezählt. Tatsächlich waren es nur vier: eine für das wandelnde Skelett, eine für den Schwarzen Mann sowie eine für den Simurgh selbst. Dazu die g e heimnisvolle unmarkierte. Doch inzwischen war darauf eine Inschrift erschienen: MPS. Und auf der Rückseite: ZEUGE.
Die letzte Marke hatte sich inzwischen also selbst identifiziert! Na, dem würde sie wohl am besten sofort nachgehen, weil sie keine Ahnung hatte, wer MPS sein mochte, was wiederum bedeutete, daß sich der Betreffende möglicherweise nur schwer aufstöbern ließ.
Sie nahm die Marke hoch, um zu sehen, in welche Richtung der Zug ging. Dieser war sehr eindeutig, also steckte sie sie wieder weg und huschte zum Schloß Roogna hinüber, um Prinz Dolph abzuholen.
Der rieb sich gerade den Schlaf aus den Augen. »Der letzte Tag, wie?« fragte er träge. »Da bin ich aber froh.«
»Ich auch«, meinte sie. »Es war zwar eine interessante Erfahrung, aber ich bin doch ganz glücklich, wenn ich alles erledigt habe.«
»Da fällt mir wieder etwas ein«, sagte er. »Hast du mir überhaupt j e mals erzählt, warum du das alles tust? Ich meine, klar, um deinen Dienst für den Guten Magier abzuleisten. Aber welche Frage hast du ihm g e stellt?«
»Wie ich die Aufmerksamkeit des Storchs errege«, gestand sie. »Ich kenne zwar sämtliche Bewegungsabläufe, aber bisher hat der Storch mich geflissentlich ignoriert.«
»Ach so«, meinte er und blickte einigermaßen verlegen drein. Er war zwar einundzwanzig Jahre alt, verheiratet und selbst Vater, hatte sich aber doch eine gewisse, liebenswerte Naivität bewahrt. »Na schön, dann laß uns jetzt Sherlock und Mark holen gehen.«
»Es ist etwas vorgefallen«, sagte sie. »Ich hatte ursprünglich eine leere Marke dabei. Jetzt trägt sie plötzlich einen Namen. MPS, Zeuge. Im Norden.«
»Wer ist denn MPS?«
»Keine Ahnung. Aber die Marke sollte uns eigentlich zu ihm führen.«
»Dann gehen wir.« Er verwandelte sich in den Singvogel, worauf sie ihn wieder in die Hand nahm und nach Norden huschte.
Sie landete sicher nördlich des Nichts – doch da zog die Marke plöt z lich gen Süden. Hm – das könnte Probleme geben. Nichts kam jemals unversehrt aus
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