Vogelfrei
das?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich weiß, es klingt lächerlich, aber würdest du es trotzdem tun? Mir zuliebe?« Er setzte sein gewinnendstes Lächeln auf und hoffte, sie würde nicht zu viele Fragen stellen, die er nicht beantworten konnte.
Sie zögerte einen Moment, wie um sich zu vergewissern, dass er sie nicht auf den Arm nehmen wollte, dann holte sie einen dreibeinigen Kupfertopf vom Kaminsims und füllte ihn aus dem Krug, der auf dem kleinen Tisch am anderen Ende des Raumes stand. Dann warf sie Nadel und Faden hinein und setzte ihn aufs Feuer. »Ist das ein seltsamer amerikanischer Brauch? Irgendein religiöses Ritual?« Ihre Stimme klang neckend, aber als er sie ansah, begriff er, dass er um eine Erklärung nicht herumkommen würde.
Er untersuchte die Wunde kurz und drückte dann das Tuch wieder darauf. »Nein, das geschieht aus Gründen der Sauberkeit. Ich lege ebenso wenig Wert darauf, mit einer schmutzigen Nadel genäht zu werden ...«, er suchte einen Moment lang nach einen Vergleich, »... wie du darauf, Staub verspeisen zu müssen.« Als sie das Gesicht verzog, nickte er. »Genau. Es ist ungesund.«
»Es schmeckt nicht.«
Er grinste. »Es schmeckt dir nicht, weil es nicht gut für dich ist. Genauso wenig wie eine schmutzige Nadel gut für mich ist, und manchmal kann man die Schmutzteilchen gar nicht sehen.«
»Also ist es etwas Böses. Hier zu Lande betrachten wir alles, was zu klein ist, als dass wir es sehen können, als etwas Böses.«
»So ungefähr.« Dylan fand den Begriff in Verbindung mit Bakterien, Viren und Krankheitserregern durchaus angemessen. »Wird die Nadel nun ausgekocht, verringert sich das Risiko, dass ich davon krank werde.« Das Thema behagte ihm nicht, besonders, wenn er an seinen eigenen Arm dachte. »Also warten wir ab, bis das Wasser kocht, und hoffen, dass die Wunde inzwischen aufhört zu bluten.« Ein Blick unter den provisorischen Verband verriet ihm, dass die Blutung nachgelassen hatte, aber noch nicht völlig zum Stillstand gekommen war. Wieder drückte er die Hand darauf.
Cait ließ sich mit untergeschlagenen Beinen neben seinem Stuhl auf dem Boden nieder und legte das Kinn auf sein Knie. »Du hast gewonnen, weißt du das?«, sagte sie. »Vater hat dich weder getötet noch fortgejagt. Er wird uns heiraten lassen, sobald seine Wut verraucht ist.«
Dylan konnte nur hoffen, dass sie Recht behielt.
Sobald Nadel und Faden lange genug gekocht hatten, goss sie das Wasser in ihre Waschschüssel und holte beides mit spitzen Fingern heraus. Die Nadel richtig zu sterilisieren stand außer Frage, aber Dylan hoffte, dass das Auskochen die Infektionsgefahr zumindest verringert hatte. Cait musste eine Weile auf die Nadel blasen, ehe sie sie anfassen konnte, dann griff sie nach seinem Arm.
Sie war nicht zimperlich. Die Stiche gingen tief, damit die Naht auch hielt. Dylan schloss die Augen, konzentrierte sich darauf, ruhig und gleichmäßig zu atmen, und ließ seine Gedanken wandern, bis er den Schmerz nicht mehr spürte. Der lange Schnitt erforderte ungefähr dreißig Stiche, die eine saubere, an seinem Unterarm entlang verlaufende Naht bildeten. Als sie fertig war und sich vorbeugte, um den Faden durchzubeißen, entspannte er sich, stöhnte dann aber laut auf, als der sengende Schmerz mit Macht zurückkehrte.
»Jetzt müssen wir das Ganze nur noch säubern.« Cait tauchte ein Tuch in ihre Waschschüssel und begann, das Blut von seinem Arm und seinen Händen abzuwischen. Sie ging mit äußerster Behutsamkeit zu Werke, und das warme Wasser linderte den Schmerz ein wenig. Er beugte sich zu ihr hinab, um ihr eine schimmernde Haarlocke aus dem Gesicht zu streichen, und als sie zu ihm aufblickte, küsste er sie sanft. Ein überwältigendes Glücksgefühl stieg in ihm auf. Bald würde sie seine Frau sein.
Von der Tür her drang Artairs angewiderte Stimme an sein Ohr. »Du kannst die Finger wohl gar nicht mehr von ihr lassen, was?« Dylan und Cait fuhren auseinander. Dylan biss sich auf die Lippe, er ärgerte sich, dass er sich wegen eines bloßen Kusses sofort schuldig fühlte. Artair lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen und leicht zur Seite geneigtem Kopf im Türrahmen. »Wenn du dich wieder so weit in der Gewalt hast, dass du zumindest ein Mindestmaß an Anstand wahren kannst, wünscht der Laird dich zu sprechen.« Er straffte sich und verschwand so lautlos, wie er gekommen war.
Dylan kniff die Augen zusammen und seufzte. Nun war der Moment gekommen, vor dem ihm
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