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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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erstaunt:
»Alle Achtung, Mike.«
    Das Polaroid war das, welches sie in der
Eichendorffstraße als am unattraktivsten eingeschätzt hatten. Die paar Knochen,
scheinbar wirr in einer Lehmschicht eingebacken, waren auf den ersten Blick
viel unspektakulärer als der Riesenfisch oder die Schildkröte.
    »Mensch, ich glaube, ich spinne. Der Önemir hat einen
versteinerten Vogel gefunden!« Morgenstern war sich jetzt ganz sicher. »Jetzt
schau doch mal genau hin.« Er hielt sich das Foto dicht vor die Augen. »Man
kann sogar einen Flügelabdruck erkennen, obwohl das Bild wirklich miserabel
ist. Das muss ein Jahrhundertfund sein!«
    Hecht riss seinem Kollegen das Foto geradezu aus der
Hand, fixierte jedes Detail und nahm sogar einen der Hähnchenknochen in die
Hand, um ihn mit dem Foto zu vergleichen. Inzwischen hatten sich schon ein paar
der umsitzenden Beamten zu den beiden Kommissaren gedreht und spähten neugierig
auf die Fotos, die Morgenstern vor sich ausgebreitet hatte.
    Vorsorglich hielt Hecht eine Hand über die Bilder,
bevor er sie wieder zusammenschob, als wären sie ein Fossilienquartett. Als
Morgenstern das Vogelfoto erneut herausziehen wollte, klopfte ihm Hecht auf die
Finger und meinte leise: »Jetzt halt dich mal ein bisschen zurück. Es schauen
doch schon alle.«
    Daraufhin flüsterte Morgenstern zurück: »Aber wer so
einen Urvogel findet, der hat ausgesorgt! Das hat mir jedenfalls die
Steinbruchbesitzerin in Solnhofen erzählt. Und dass die Chancen darauf ungefähr
so niedrig sind wie auf einen Sechser im Lotto.«
    »Ein Archaeopteryx also, das ist ein Motiv!« Hecht
pfiff leise durch die Zähne, drehte sich nochmals um und nickte den Beamten an
den Nachbartischen freundlich zu. Dann meinte er leise zu seinem Kollegen:
»Aber jetzt pack das wieder weg, bevor uns noch das halbe Landratsamt auf dem
Schoß sitzt.«
    Morgenstern stopfte den Fotopacken mit dem
Knochenporträt obenauf wieder in seine Gesäßtasche.
    »Wie sieht’s denn nun aus, trinken wir noch einen
Kaffee? Hier gibt’s auch einen ganz hervorragenden Streuselkuchen«, fand Hecht
wieder zur Normalität zurück.
    Aber Morgenstern, der mit den Gedanken schon ganz
woanders war, winkte ab. »Ganz ehrlich: Lieber wäre mir jetzt ein Schnaps. Aber
wir sind ja im Dienst, deshalb lass uns so schnell wie möglich rüber zum Chef
nach Ingolstadt fahren. Aber vorher brauche ich noch etwas zum Einpacken.«
    Höflich erbat sich der Oberkommissar an der Theke eine
Plastiktüte und ging zum Tisch zurück, wo er seinen Teller nahm und die Reste
seiner Mahlzeit sorgfältig in das Behältnis füllte. Als er bemerkte, dass ein
Beamter vom Nebentisch in Sakko und Pullover grinste, sagte er achselzuckend:
»Mein Hund steht drauf.«
    »Aber man soll an Hunde doch keine Röhrenknochen
verfüttern, da können sie sich dran verletzen, wenn sie splittern.«
    Morgenstern war kurz davor, zu explodieren, riss sich aber
zusammen, hielt einfach den Mund und trat mit dem Beutelchen in der Hand den
Rückzug an. »Vogelwild!«, dachte er immer wieder, »Vogelwild!«
    ***
    Im
Polizeipräsidium in Ingolstadt wartete Adam Schneidt schon gespannt auf die
Überraschung im Fall Önemir, die ihm seine Männer per Telefon angekündigt
hatten. Als beide Beamte in sein Büro traten, hatte er gerade die Kaffeetasse
mit dem Rosenmuster und seinem Vornamen in der Hand. »Das ist ja mal sehr
erfreulich, wenn es in dem Fall vorangeht. Dann lassen Sie mal hören,
Morgenstern.«
    »Also, die Sache ist so: Wie Sie wissen, hat die
Gerichtsmedizin ja Zweifel daran, dass unser Türke aus dem Wintershofer
Steinbruch seine tödlichen Verletzungen durch den Erdrutsch erlitten hat. Es
könnte auch ein Mord gewesen sein, der so aussehen sollte wie ein
Arbeitsunfall. Auch wegen der mysteriösen Verletzung im Nacken.«
    »Weiß ich alles schon«, knurrte Schneidt ungeduldig.
»Weiter!«
    »Mir persönlich wäre es tatsächlich lieber, wenn der
Tod von Önemir einfach nur ein dummer, unglücklicher Unfall gewesen wäre, da
können Sie ganz sicher sein, Herr Schneidt. Aber ganz ehrlich, gegen einen
Arbeitsunfall spricht allein schon die Tatsache, dass am Feiertag in den
Steinbrüchen generell nicht gearbeitet wird.«
    »Und was hatte dieser Önemir dann dort Ihrer Meinung
nach zu suchen? Hat er sich vielleicht mit jemandem getroffen?«
    »Das wissen wir noch nicht, aber wir haben uns ein
bisschen umgehört. Herr Önemir besaß mehr Geld, als man auf den ersten Blick
vermuten könnte. Er hat seinen

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