Vogelwild
einprägsamen, auffälligen Mitbringsel umsah.
Dann meldete er sich wieder: »Ich sitze in einem roten Hemd im Restaurant am
Tresen und habe eine Kiste Äpfel dabei.« Anscheinend telefonierte Akatoblu
direkt aus der Münchner Großmarkthalle.
Aufgeregt trabte Morgenstern in die Küche, aus der es
bereits köstlich nach Kaffee duftete. Ihn fröstelte in seiner Unterhose. Dieser
Anruf, das spürte er, hatte die entscheidende Phase der Ermittlungen
eingeleitet. Entweder war Akatoblu nicht so unschuldig, wie er tat – aber dann
saß er in Kösching in der Falle –, oder Morgenstern würde mit seiner Hilfe
einige wesentliche Teile in dieses sonderbare Puzzlespiel einfügen können.
Aber erst einmal brauchte er einen Kaffee. Doch bevor
Morgenstern den ersten Schluck nahm, grinste er schadenfroh, ging erneut hinaus
in den Flur zum Telefon und wählte eine Nummer in Schrobenhausen: Kollege
Spargel musste ihn unbedingt zum Rastplatz begleiten. Warum, so fragte er sich
boshaft, sollte er, Morgenstern, als Einziger um seinen morgendlichen
Schönheitsschlaf gebracht werden?
Hecht
und Morgenstern erreichten in ihren Privatautos fast gleichzeitig um kurz vor
acht Uhr den Rastplatz. Sie entdeckten Akatoblu auf der Stelle: Hochnervös und
ständig um sich blickend trug er in seinem knallroten Hemd eine hölzerne
Obstkiste Richtung Restaurant.
»Na, dann mal los«, sagte Morgenstern zu Hecht. »So
offensichtlich nervös, wie der wirkt, greifen sich ihn die Kollegen der
Schleierfahndung noch, bevor wir bei ihm sind.«
Akatoblu war alles andere als erfreut, dass
Morgenstern nicht allein gekommen war, fügte sich aber. »Ich schlage vor, wir
setzen uns in mein Auto und sparen uns das Restaurant, dann sind wir wenigstens
unter uns«, schlug Morgenstern vor.
Der Türke stellte seine Apfelkiste ab und ließ sich
sicherheitshalber Morgensterns Dienstausweis zeigen. »Schließlich steige ich
nicht zu jedem wildfremden Menschen ins Auto.«
»Ich dachte, Sie vertrauen mir«, meinte Morgenstern
achselzuckend.
»Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser«, überraschte
ihn Akatoblu mit einem Lenin-Zitat.
Als vertrauensbildende Maßnahme aßen alle drei, als
sie in Morgensterns Landrover Platz genommen hatten, einen Apfel aus Akatoblus
Obstkiste.
»Elstar. Vom Bodensee, kannst du lange lagern und sind
nicht zu süß«, kommentierte Akatoblu, der jetzt seine Ruhe wiedergefunden hatte
und seine neu erlernten Obstkenntnisse aus der Großmarkthalle anbringen wollte.
»Kennen Sie sich mit Fossilien auch so gut aus?«,
griff Morgenstern das eigentliche Thema auf.
»Eigentlich nicht.« Akatoblu, der auf dem
Beifahrersitz saß, schüttelte den Kopf. »Ein bisschen was weiß man als Türke in
Eichstätt immer darüber. Das bekommt man ja schon als Kind mit. Aber auskennen,
das wäre zu viel gesagt.«
»Und trotzdem haben, besser gesagt, hatten Sie einen
Archaeopteryx in Ihrem Besitz. Können Sie mir das mal erklären?«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Akatoblu überrascht.
»Kombination, mein Lieber«, protzte Morgenstern. »Wir
haben relativ bald herausgefunden, dass Önemir so einen Urvogel hatte, und weil
dieser in Ihre Wohnung geflattert ist, haben Sie nun ein riesiges Problem. Ist
Ihnen das nicht klar? Bis zum Beweis des Gegenteils gelten Sie als
Hauptverdächtiger für den Tod Ihres Chefs.« Morgensterns Stimme wurde bestimmt:
»Ehrlich gesagt wundert es mich, warum Sie statt des Obstes nicht einen Anwalt
mitgebracht haben.« Er nahm sich einen zweiten Apfel und biss kräftig hinein,
als wolle er zeigen, dass er Früchtchen wie Akatoblu normalerweise zum
Frühstück verspeiste. Die Symbolik war plump, tat aber ihre Wirkung.
Akatoblu atmete tief durch. Es schien, als würde die
ungesund blasse Haut des mageren jungen Mannes noch ein bisschen weißer werden.
»Na gut. Also, dieser Urvogel gehört eigentlich einem Kollegen aus unserem
Steinbruch. Der hat ihn vor einiger Zeit gefunden, aber weil Mustafa bei uns
der Experte für solche Sachen war, hat er ihm den Archaeopteryx gegeben, damit
er ihn verkauft.«
»Also in Kommission.«
»Kommission?«
»Na, wenn jemand etwas im Auftrag eines anderen auf
den Markt bringt. Wissen Sie, wie hoch der Anteil vom Verkaufspreis gewesen
wäre, den Herr Önemir beim erfolgreichen Verkauf bekommen hätte?«
»Zwanzig Prozent, glaube ich. Das war sein üblicher
Tarif.«
»Und was war Ihr Part dabei?«, fragte Hecht von der
Rückbank aus.
»Ich bin Geschäftsmann, vergessen Sie das nicht.
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