Vogelwild
Ich
habe versucht, Mustafa beim Verkauf zu helfen, als er lange Zeit keinen
Interessenten finden konnte. Er hat mir vertraut. Deshalb habe ich den Urvogel
auch zu mir nach Hause genommen, weil wir dachten, da wäre er am sichersten.«
Hecht beugte sich nach vorne zum Türken: »Und es
könnte nicht zufällig so gewesen sein, dass Sie den Urvogel erst mit nach Hause
genommen haben, als Herr Önemir bereits tot war?«
»Nein, das schwöre ich – auf den Koran«, wimmerte
Akatoblu.
»Das mit dem Schwören haben wir doch heute Morgen
schon abgehandelt«, zischte Morgenstern zum Beifahrersitz hinüber. »Ihr Koran
hilft Ihnen hier bei uns nichts.« Akatoblu schaute beleidigt. »Es könnte doch
sein«, fuhr der Ermittler fort, »dass Sie Herrn Önemir getötet haben, um den
Urvogel auf eigene Rechnung zu verkaufen. Und ich könnte mir auch vorstellen,
dass Ihre Landsleute genauso denken. Das haben Sie mir selbst heute früh schon
durch die Blume gesagt. Und jetzt ist nicht nur Herr Önemir tot, sondern auch
der Archaeopteryx aus Ihrer Wohnung verschwunden. Doppeltes Pech für Sie, würde
ich sagen.« Erstaunt stellte Hecht fest, dass sein Kollege bei Bedarf einen
ungemütlich zynischen Ton anschlagen konnte.
»Aber Frau Aurich hat Ihnen doch erzählt, wer in meine
Wohnung eingebrochen ist. Nach denen müssen Sie doch forschen«, jammerte der
Türke. »Und wenn Sie die beiden haben, müssen Sie allen meinen Landsleuten in
Eichstätt und Umgebung mitteilen, dass ich mit der ganzen Sache nichts zu tun
hatte.«
»So, muss ich das?«, fragte Morgenstern langsam, um
die imaginären Daumenschrauben noch etwas enger zu drehen.
»Ich bitte Sie! Frau Aurich hat mir gesagt, dass vor
unserem Haus ständig meine Landsleute herumstehen. Immer wieder klingeln sie.
Ich stecke bis hierher«, Akatoblu hielt die flache Hand in Nasenhöhe, »in der
Scheiße.« Unvermittelt fing er an zu schluchzen.
»Jetzt reißen Sie sich mal zusammen, Mann.«
Morgenstern legte ihm die Hand, in der er noch seinen angebissenen Apfel hielt,
beruhigend auf die Schulter, aber der junge Mann wischte sie abwehrend weg.
Hecht schaltete sich wieder von der Rückbank aus ein:
»Herr Akatoblu, diese beiden Männer, die in Ihrer Wohnung waren, das waren
Deutsche. Junge Deutsche, und wie es uns scheint, handelte es sich bei ihnen nicht
um die typischen Fossiliensammler. Haben Sie eine Idee, wer die beiden gewesen
sein können? Oder woher sie wissen konnten, dass der Urvogel bei Ihnen daheim
lag?«
Mit feuchten Augen drehte sich Akatoblu zu Hecht um:
»Ich habe heute die halbe Nacht genau darüber nachgedacht, und mir ist da so
eine Idee gekommen.«
Plötzlich klopfte es von außen an die Fensterscheibe.
Alle drei Männer drehten sich erschrocken zu den zwei uniformierten
Polizeibeamten um, die neben dem Auto standen: »Meine Herren, Ihre Papiere.«
»Mensch, Kollegen, zu einem blöderen Zeitpunkt hättet
ihr auch nicht auftauchen können, was?«, zischte Morgenstern. Er wandte sich zu
Akatoblu, in dessen Augen sich blanke Angst spiegelte. Ganz klar, er witterte
eine Falle.
»Ach, die Kripo macht mal wieder den Rastplatz
unsicher«, sagte einer der Beamten, als er erst Morgensterns und danach auch
Hechts Dienstausweis überprüft hatte. »Und wir dachten schon, da wäre etwas
faul. Drei Männer, die ewig in einem Auto sitzen und Äpfel essen, das passt
genau in unser Raster.« Er grinste schief.
»Schleierfahndung«, moserte Hecht, »wird völlig
überschätzt.«
»Na dann, guten Appetit noch, die Kollegen.« Und damit
waren die beiden Beamten auch schon wieder verschwunden.
Hecht wurde allmählich ungeduldig. Als er sah, dass
Morgenstern sich schon wieder nach der Apfelkiste am Fuß des Beifahrersitzes
beugte, ergriff er die Initiative: »Herr Akatoblu, ich will das jetzt wissen:
Wer waren die beiden Typen in Ihrer Wohnung?«
»Nun, ich arbeite manchmal als DJ in der Eichstätter
Disco und bin auch sonst oft da. Zum Billardspielen und so. Da kommen viele
Studenten – und Studentinnen natürlich auch.« Er grinste verschwörerisch und
hielt inne, als erwartete er eine Reaktion, die aber nicht kam.
»Und?«, war das Einzige, was Hecht erwiderte.
»Vor einiger Zeit, es war schon spät, und ich hatte
auch schon ein bisschen was getrunken, habe ich ein paar Studenten von meiner
Arbeit im Steinbruch erzählt. Kann sein, dass ich auch mit unserem
Archaeopteryx angegeben habe. Damit ich nicht als dummer Arbeiter dastehe. Und
die fanden das auch sehr
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