Vogelwild
gesucht
hatten, hatte Akatoblu in Panik versetzt. Die halbe Nacht, so erzählte er, habe
er überlegt, was zu tun sei, und am Ende beschlossen, Rosa Aurichs Rat zu
folgen und dem »freundlichen Herrn Kommissar« reinen Wein einzuschenken.
Morgenstern erfuhr, dass sich Akatoblu momentan in
München aufhielt, wo er bei einem Cousin Unterschlupf gefunden hatte. Der
Cousin handelte mit Gemüse, und als Gegenleistung für die Unterbringung half
Ali frühmorgens bei der Arbeit in der Münchner Großmarkthalle aus, dem
zentralen Umschlagplatz für Obst und Gemüse in Südbayern. »Alles besser als der
Steinbruch«, sagte Akatoblu. Vor allem aber sei es ihm besser erschienen,
unbekannt in München zu arbeiten, als in Eichstätt darauf zu warten, dass ihn
seine Landsleute in die Mangel nahmen.
Morgenstern war zwar wach, aber wegen der frühen
Stunde noch etwas langsam im Denken. »Warum sollten die Ihnen denn etwas Böses
wollen?«
»Sagen Sie mal, Sie verstehen wohl gar nichts, was?
Wenn die glauben, dass ich meinen Chef umgebracht habe, und das tun sie, dann
nehmen die das selbst in die Hand. Die warten nicht, so wie ihr Deutschen, bis
endlich mal die Polizei kommt. Und was könnte ich gegen sie tun? Gar nichts.
Sie würden mich einfach überwältigen. Aber ich bin unschuldig, ich hab wirklich
nichts gemacht. Sie müssen mir glauben, Herr Kommissar!«
»Oberkommissar, so viel Zeit muss sein«, grummelte
Morgenstern. »Ich sehe übrigens noch keinen Grund, warum ich Ihnen Ihre
Geschichte glauben sollte. Ich kenne Sie ja nicht einmal, und was ich bisher
über Sie gehört habe, klingt alles andere als vertrauenerweckend. Oder sind
Ihre Drogengeschäfte etwas, was meine Meinung ändern könnte?«
Auf der anderen Seite der Leitung kehrte Stille ein.
Morgenstern befürchtete bereits, den Bogen überspannt und den Anrufer vergrault
zu haben, aber da meldete sich Akatoblu zurück: »Ich gebe ja zu, dass ich schon
häufig Schmarrn gemacht habe«, er verwendete tatsächlich den Dialektbegriff
»Schmarrn«, »aber ich schwöre auf den Koran: Für den Tod von Herrn Önemir kann
ich nichts, damit habe ich nichts zu tun. Aber wer soll mir das glauben, wenn
Sie es nicht tun?«
»Wissen Sie, von mir aus können Sie schwören, worauf
Sie wollen«, konterte Morgenstern trocken. Schließlich wusste er, dass es mit Alis
Gottesfürchtigkeit nicht zum Besten bestellt war, und kannte genug deutsche
Gesetzesbrecher, die, ohne mit der Wimper zu zucken, heilige Eide auf die Bibel
abgelegt hätten, wenn man sie dazu aufgefordert hätte. – Und zwar gänzlich ohne
Furcht davor, dass ihnen danach die rechte Hand verdorren könnte.
Der Ermittler entschied sich, in die Offensive zu
gehen. »Also gut. Wenn Sie wirklich wollen, dass ich Ihnen vertraue, dann
müssen Sie erst einmal mir vertrauen. Ich brauche von Ihnen Ihre Adresse und
Ihre Telefonnummer in München, erst danach sprechen wir weiter.« Nach kurzem
Zögern gab Akatoblu die Daten durch. Er musste sie zwei Mal diktieren, weil
Morgenstern eine Weile brauchte, bis er endlich Zettel und Kugelschreiber
gefunden hatte.
Plötzlich tappte auch noch Fiona aus dem Schlafzimmer.
»Sag mal, mit wem telefonierst du da eigentlich die ganze Zeit?«
»Pscht! Ist dienstlich«, nuschelte Morgenstern. Dann
fügte er flüsternd hinzu: »Kannst du schon mal einen Kaffee machen? Für mich
ist die Nacht jetzt vorbei.«
Am Ende des Gesprächs rang er Akatoblu sogar das
Versprechen ab, sich in drei Stunden in Ingolstadt einzufinden. Morgenstern
schlug als Treffpunkt sein Büro im Polizeipräsidium vor, was Akatoblu aber
entschieden ablehnte. »Dann können Sie mich ja gleich in eine Zelle stecken.«
Sie einigten sich auf die nahe gelegene
Autobahnraststätte »Köschinger Forst«. Anonymer ging es kaum, das fanden beide.
Im Unterschied zu Akatoblu wusste Morgenstern jedoch, dass an der Raststätte
ständig Kollegen von der »Schleierfahndung« unterwegs waren, auf die er im Fall
der Fälle zurückgreifen konnte. Der »Köschinger Forst«, genau in der Mitte
zwischen München und Nürnberg gelegen, war ein beliebter Umschlagplatz auf der
europäischen Drogen-Fernhandelsroute und wurde entsprechend stark, wenn auch
diskret überwacht.
»Hauptsache, ich muss nicht nach Eichstätt kommen. Da
darf mich keiner sehen«, willigte Akatoblu ein.
»Und wie erkenne ich Sie?«, wollte der Oberkommissar
wissen. Es dauerte einen Moment, während dessen sich Akatoblu anscheinend in
seinem näheren Umfeld nach einem
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