Vogelwild
der Hofgarten der ehemaligen fürstbischöflichen
Sommerresidenz grenzte, der zur Hälfte aus einer barocken Gartenanlage mit
Blumenrabatten und plätschernden Brunnen bestand. Im hinteren Bereich dagegen
befand sich ein kleiner Park mit alten Bäumen und verwinkelten, sorgsam in
Kastenform geschnittenen, mannshohen Buchenhecken. Die beiden Studenten
tauchten in dieses Labyrinth ab, und es brauchte nur wenige Hakenschläge, dann
hatten ihre Verfolger sie aus den Augen verloren.
Morgenstern wurde regelrecht panisch. »Spargel, wir
dürfen sie nicht entkommen lassen!«, rief er und deutete mit rudernden
Armbewegungen an, dass sie sich trennen sollten, um die beiden, wie auch immer,
in die Zange zu nehmen. Außer dem Labyrinth bot der Hofgarten nicht viele
Verstecke, dafür aber umso mehr Ausgänge.
Viel zu spät und mit über hundert Metern Abstand
entdeckte Morgenstern schließlich, wie die beiden Gejagten im Spurt durch ein
großes schmiedeeisernes Tor an der Altmühlseite rannten und Richtung Innenstadt
abbogen. »Da sind sie!«, rief er, und Hecht, der ein Stück weit entfernt nach
ihnen Ausschau gehalten hatte, nahm nun ebenfalls wieder die Verfolgung auf.
Die Hetzjagd führte über eine Rasenfläche mit
steinernen Kunstwerken, die alle aus dem örtlichen Juramarmor gehauen worden
waren. Es folgte eine lange Mauer, die sich an einem Fußballplatz entlangzog
und in der sich eine Tür befand. Die beiden Studenten stoppten, öffneten die
Pforte mit einem Schlüssel, schlüpften blitzschnell hindurch und zogen die Tür
hinter sich wieder ins Schloss. Außer Atem kamen die Kriminalbeamten vor dem
Einlass zum Stehen. Ratlos schauten sie sich an: Wo waren sie denn hier
gelandet?
An der Mauer entdeckte Morgenstern eine Sprechanlage
mit einer Klingeltaste und läutete Sturm, während er inbrünstig betete, dass
sich sofort jemand melden würde.
Hecht beschäftigte sich derweil mit der kleinen
Aufschrift an der Pforte: »›Bischöfliches Seminar, Eingang 5, bitte
läuten‹, hast du das gehört, Mike?«
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich eine
Frauenstimme ertönte. »Ja, bitte?«
»Machen Sie sofort auf, Polizei«, polterte
Morgenstern.
»Moment, einen Augenblick, bitte.«
Wieder dauerte es wertvolle Sekunden, die Morgenstern
und Hecht wie Minuten vorkamen. Dann meldete sich die Stimme endlich wieder:
»Ich mache Ihnen jetzt auf, Sie möchten sich dann bitte an der Hauptpforte
melden.« Anschließend erläuterte sie ausführlich, wie in dem riesigen
Gebäudekomplex mit seinem großen Garten und verschiedenen Innenhöfen die
Hauptpforte überhaupt zu finden sei, dann erst summte der elektrische
Türöffner.
Morgenstern, noch immer ganz außer Atem, warf sich mit
der Schulter gegen die hölzerne Tür, um seinem Zorn über die Verzögerung
Ausdruck zu verleihen. Hinter der Mauer entdeckten sie einen großen Garten mit
einem Teich, links davon erhoben sich Alt-und Neubauten der bischöflichen
Priesterausbildungsstätte, an deren Ende der Turm einer barocken Kirche gen
Himmel ragte. Die Kriminalbeamten waren nicht wirklich überrascht, dass von den
beiden Studenten jede Spur fehlte.
»Spargel, ich glaube, die stecken alle unter einer
Decke«, tobte Morgenstern. »Aber ich schwöre dir, lange werden wir uns das
nicht mehr gefallen lassen.«
Hecht, sonst eher blass, leuchtete nach dem anstrengenden
Lauf wie eine Tomate. »Immerhin haben wir sie«, nickte er, »und ob wir sie
sofort, in einer Stunde oder erst morgen einsacken, ist ja eigentlich auch
egal.«
»Bischöfliches Priesterseminar«, murmelte Morgenstern
und schüttelte den Kopf. »Heute fügt sich wirklich eins zum anderen. Du hast
doch gestern erst mit dem Boss von hier, diesem Regens, wegen unseres
Mörnsheimer Urvogels telefoniert. Scheint fast, als ob der Vogel zurückgekehrt
ist, heim ins Nest.«
»Unter Pfarrerslehrlingen habe ich mir aber eigentlich
etwas anderes vorgestellt«, sagte Hecht. »Beten und die Bibel lesen, nicht
stehlen, rauben und morden. Meine alte, fromme Mama wäre bestimmt sehr
enttäuscht, wenn sie von diesem Fall etwas mitbekommen hätte. Aber leider ist
sie schon lange tot.«
»Wahrscheinlich dreht sie sich jetzt im Grab um«,
meinte Morgenstern und machte mit dem Zeigefinger der rechten Hand eine
rotierende Bewegung. »Aber jetzt nicht trödeln, Spargel! Gleich schnappen wir
sie uns.«
Doch Morgenstern irrte sich, wie sich schon an der
Hauptpforte herausstellte, wo der herbeigerufene Hausherr die Gäste von
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