Vogelwild
der
Kriminalpolizei bereits erwartete. Ein freundlicher, rundlicher Herr um die
fünfzig, der im tiefschwarzen Anzug mit weißem Priesterkragen unverkennbar ein
Mann des geistlichen Standes war, musterte die beiden Kriminaler skeptisch und
ließ sich dann von Hecht in wenigen Sätzen die Lage erläutern und die Studenten
beschreiben. Dann sagte er zur Verblüffung der Ermittler: »Aber da muss ein
Missverständnis vorliegen. Diese beiden jungen Männer, die Sie verfolgt haben,
sind mit absoluter Sicherheit keine Bewohner dieses Hauses.«
»Und woher wollen Sie das so genau wissen?«, fragte
Morgenstern genervt. »Wir haben doch mit unseren eigenen Augen gesehen, wie sie
durch Ihre Tür verschwunden sind – und zwar mit einem Schlüssel.«
»Ach«, winkte der Priester ab und lächelte müde.
»Immer dieser Schlüssel! Ich weiß gar nicht, wie oft ich mich schon bei unserem
Hausmeister beschwert habe, weil Hinz und Kunz einen Schlüssel zur Gartentür
haben. Sogar junge Damen habe ich schon erwischt, die mit einem Duplikat hier
hereinspaziert sind, um sich – salva venia – mit einem meiner
Priesteramtskandidaten zu treffen. Entsetzlich. Mittlerweile müssen Dutzende
von Schlüsseln im Umlauf sein. Im Laufe der Jahrzehnte hat ihre Anzahl immer
stärker zugenommen.«
»Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass die beiden
jungen Männer, die wir suchen, hier wohnen«, beharrte Hecht.
»Aber Herr Kommissar, das ist nach Ihrer Beschreibung
völlig ausgeschlossen.«
»Und warum sind Sie sich so sicher?«
Der Priester sah die Beamten mit einem souveränen
Lächeln an, das auf Morgenstern etwas spöttisch wirkte. »Keiner meiner
Priesteramtskandidaten, ich wiederhole, nicht einer, trägt eine Jeans. In
diesem Hause ist das ausdrücklich unerwünscht. Und ich garantiere Ihnen, dass
ich es bisher noch nie geduldet habe, wenn jemand hier in unangemessener
Kleidung der Würde seines künftigen Amtes den nötigen Respekt verweigert.« Dann
musterte er Morgenstern von Kopf bis Fuß mit einem Blick, der keinen Zweifel
daran ließ, dass der Herr Regens an einen bayerischen Polizeibeamten ebenfalls
gewisse Erwartungen bezüglich der Garderobe stellte, die er bei Morgenstern
nicht ansatzweise erfüllt sah.
»Wie auch immer: Diese beiden Männer sind hier in
Ihrem Haus, und wir müssen sie finden«, blieb Hecht eisern. In seiner Cordhose
und seinem weiß-blau karierten Hemd glaubte er sich in einer etwas günstigeren
Verhandlungsposition als sein Kollege.
»Herr Regens, kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«,
schaltete sich plötzlich und unerwartet die Pförtnerin ein – jene korpulente
Dame, die sich schon zuvor an der Sprechanlage als Zerberus erwiesen hatte.
Sie flüsterte kurz mit ihrem Chef, der daraufhin
lächelnd zu Hecht und Morgenstern sagte: »Unsere Frau Müller hat mir soeben
berichtet, dass die von Ihnen gesuchten Männer unser Haus bereits vor einigen
Minuten durch den Haupteingang neben der Schutzengelkirche verlassen haben. Wir
haben da eine kleine Videokamera installiert, weil unsere Pforte sehr weit
entfernt liegt. Frau Müller kann sie aber über einen kleinen Monitor ständig im
Auge behalten.«
»Und wohin führt dieser Ein-oder Ausgang?«, fragte
Morgenstern, und aus seiner Stimme sprach mühsam unterdrückte Wut.
»Zum Leonrodplatz, in die Innenstadt.«
»Danke, Sie hören noch von uns«, erwiderte
Morgenstern, und wenn seine Worte wie eine leise Drohung klangen, dann war das
nur in seinem Sinne. »Wir müssen jetzt zurück an die Universität. Es gibt da
einen Theologieprofessor, der mir noch ein paar Antworten schuldig ist.«
»So? Um wen geht es denn?«, fragte der Regens mit
unverhohlener Neugier.
»Wie heißt er gleich noch mal, Kollege?«, wandte sich
Morgenstern hilfesuchend an Hecht.
»Heine. Der, der gerade seine Vorlesung über die
Schöpfungsgeschichte hält.«
»Ja, das ist Professor Heine, wie interessant«,
kommentierte der Regens. »Nun ja, die Veranstaltung hat ja auch lange genug auf
sich warten lassen. Meine Priesteramtskandidaten sind schon ungeduldig
geworden, weil der Besuch verbindlich durch die Prüfungsordnung vorgeschrieben
ist.«
»Und warum wird das Thema dann nicht regelmäßig
angeboten?«, erkundigte sich Hecht.
»Peter«, schritt Morgenstern jetzt ungeduldig ein,
»wir haben jetzt wirklich Wichtigeres zu tun, oder willst du neuerdings Pfarrer
werden?«
Aber der Regens achtete nicht auf Morgenstern und
beantwortete stattdessen Hechts Frage: »Herr Heine vertrat
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