Vogelwild
Morgenstern.
Endlich hatte Heine das gefunden, wonach er gesucht
hatte. »Da haben wir’s ja«, sagte er und zog eine Namensliste aus einem Ordner
heraus. Rasch beugten sich die Ermittler über das Papier, auf dem der Professor
mit seinem langen, feinen, sorgfältig manikürten Zeigefinger entlangfuhr.
»Da ist zum einen Markus Däumling, hier, sehen Sie.
Und der hier ist auch schon der Zweite: Bernhard Graupner. Beide im achten
Semester Diplom-Theologie.«
»Die wohnen sogar zusammen«, stellte Morgenstern beim
Überfliegen der Adressen fest. »Und da ist auch noch ein Dritter mit derselben
Adresse. Lars Maier. Alle Gemmingenstraße 67. Ist das ein
Studentenwohnheim, Herr Professor?«
»Nein, nicht dass ich wüsste. Hier, sehen Sie, der da
wohnt zum Beispiel in einem unserer kirchlichen Studentenwohnheime. Aber diese
drei: Das sieht mir doch sehr nach einer Wohngemeinschaft aus.«
Morgenstern wollte es kaum glauben. »Bei
Theologiestudenten ist der Trend zur WG auch
schon angekommen?«
»Aber Herr Kommissar, mir scheint, dass Ihre Vorstellungen
in den siebziger Jahren hängen geblieben sind. Die meisten Studenten wohnen
gemeinsam, weil das finanziell günstiger und auch praktischer ist. Ist es
möglich, dass Sie selbst gewissen linken Klischees anhängen?«
»Wer? Ich? Nie im Leben!« Morgenstern wurde rot und
wechselte schnell das Thema. »Also, Peter, du schreibst dir jetzt die Adresse
und die Telefonnummern auf, Festnetz und Handys, und dann klopfen wir bei denen
mal auf den Busch.«
»Viel Erfolg, meine Herren«, wünschte ihnen Professor
Heine. Sekunden später fügte er mit forderndem Unterton noch hinzu: »Wollen Sie
mir jetzt vielleicht sagen, worum es hier eigentlich geht? Doch nicht etwa
immer noch um diesen Todesfall im Wintershofer Steinbruch?«
»Doch, im weitesten Sinne«, gab sich Morgenstern bedeckt.
»Aber erst einmal geht es um unbefugtes Eindringen in eine fremde Wohnung.«
»Aha, also nichts Ernstes, da bin ich ja erleichtert.«
»Nun, das werden wir noch sehen«, brummte Morgenstern.
»Findest
du nicht, wir sollten langsam mal in der Zentrale Bescheid geben?«, fragte
Hecht, als sie endlich die Universität verließen. »Schneidt wird sich
allmählich fragen, wo seine Untergebenen die ganze Zeit stecken. Immerhin gab
es draußen in Mörnsheim einen Mord, und wir tappen hier an der Uni im Dunkeln.«
»Von mir aus können wir uns ruhig in Ingolstadt
melden«, meinte Morgenstern, »aber vom Tappen im Dunkeln möchte ich nichts
gehört haben. Diese beiden Studenten hängen auf jeden Fall mit drin. Warum
wären die sonst bei unserem Ali eingebrochen?«
»Und wenn es bloß ganz normale Süchtige sind, Junkies?
Vielleicht wussten sie, dass es bei Ali immer Stoff gibt? Vergiss nicht, dass
unser Freund auch nebenher gedealt hat. Ich will dich ja nicht entmutigen,
Mike, aber das kann auch alles nur ein dummer Zufall sein. Zwei Studenten
wollen bei ihrem Dealer ein bisschen Marihuana kaufen und stellen fest, dass er
grade nicht daheim ist, aber die unterbelichtete, alte Nachbarin den
Wohnungsschlüssel hat. Also holen sie sich einfach, was sie brauchen. Du weißt
so gut wie ich: Gelegenheit macht Diebe.«
»Jetzt hör schon auf damit, Peter, du alter Pessimist.
Niemand stellt für ein bisschen Hasch eine Wohnung so auf den Kopf, wie wir das
in der Eichendorffstraße gesehen haben. Ich schwöre dir, denen ging es um den
Urvogel, und jetzt haben sie ihn. Du hast wohl auch die Plastiktüte vergessen,
was? Das Einzige, was mir nicht einleuchtet, ist, was sie mit dem Archaeopteryx
eigentlich anfangen wollen. Darüber habe ich mich gestern auch schon mit Fiona
unterhalten.«
»Was? Du sprichst mit deiner Frau über unsere Fälle?«
Hecht schaute Morgenstern skeptisch von der Seite an. »Du weißt aber schon,
dass das verboten ist? Eigentlich muss alles intern bleiben.«
»Aber sie ist doch Familie«, druckste Morgenstern
herum. »Und wenn ich nicht mit Fiona sprechen kann, zerreißt es mich.«
»Aber deiner Bäckereifachverkäuferin erzählst du
morgens nicht alles, wenn du Semmeln holst?«
»Verdammt, Peter, du verstehst doch, was ich meine.«
»Na gut. Also, was sagt deine Fiona zu unserem Fall?«
»Sie meint, dass es dabei vielleicht gar nicht ums
Geld geht, sondern dass Leute die Drahtzieher sein könnten, denen es ums
Prinzip geht, was auch immer das dann wäre.«
»Solche Prinzipienreiter sind auf jeden Fall die
gefährlichsten«, stimmte Hecht zu. »Ganz ehrlich: Da wären mir ein
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