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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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nicht«,
bettelte er, inzwischen kreidebleich. »Das war doch nur ein Spaß.« Er zögerte
kurz. »Und außerdem waren es die anderen.«
    »Soso, die anderen«, ätzte Morgenstern. »Die sind für
uns als Kriminalbeamte das tägliche Brot. Wenn es Probleme gibt, waren es immer
die anderen. Hat Ihnen das an Ihrer Universität noch keiner gesagt, dass man
für seine Taten geradestehen muss?«
    »Aber es waren wirklich die anderen. Sie müssen mir
glauben!«
    »Welche anderen?«, schaltete sich nun Hecht ein.
    »Na, der Däumling und der Graupner«, sagte Maier,
jetzt fast flüsternd.
    »Aber ich erkenne Sie wieder, Sie waren doch beim
Sprühen dabei. Ich habe Sie in flagranti ertappt und verfolgt«, sagte
Morgenstern und tippte sich demonstrativ mit dem Zeigefinger auf die Brust,
obwohl er sich durchaus nicht sicher war, ob Lars Maier wirklich am Domplatz
dabei gewesen war. Es war nur eine Vermutung. Er bluffte, aber er landete damit
einen Volltreffer.
    Der Student setzte sich auf die mittlere der drei Stufen,
die zur Haustür hinaufführten, und barg das Gesicht in den Händen. Ein
Schluchzen erschütterte seinen ganzen Körper.
    »Schon gut, schon gut.« Morgenstern ging zu ihm und
legte dem jungen Mann beruhigend eine Hand auf die rechte Schulter. »Wir finden
da schon eine Lösung, ganz bestimmt. Aber nur, wenn Sie uns helfen.«
    »Ich?«, schluchzte der Student auf.
    »Genau. Wo sind Ihre beiden Mitbewohner?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht noch an der Uni oder in
der Mensa?«
    »Nein, das glauben wir nicht. Sie sind vor uns
geflüchtet«, sagte Hecht.
    »Sie sind durchs Priesterseminar abgehauen«, erklärte
Morgenstern, »Hintertür rein, Vordertür raus. Wissen Sie, wo sie sich versteckt
halten könnten?«
    »Nein, ich habe wirklich keine Ahnung«, schüttelte
Lars Maier den Kopf. »Ich selber habe nach der Vorlesung noch Bücher in die
Bibliothek zurückgebracht und bin dann hierher.«
    »Dann gehen wir doch am besten mal gemeinsam ins Haus
und sehen uns da um«, schlug Morgenstern vor. Eine so günstige Gelegenheit, und
noch dazu ganz ohne Durchsuchungsbefehl, würde sich so schnell kein zweites Mal
bieten.
    Als sie in der Wohnküche standen, fiel Maier doch noch
etwas ein: »Hören Sie, das habe ich vorhin ganz übersehen: Das Auto ist weg,
aber die Fahrräder sind noch da.«
    »Und? Was sagt uns das?«, wollte Morgenstern wissen.
    »Zur Uni fahren wir immer mit dem Fahrrad, weil man da
keinen Parkplatz fürs Auto findet. Der Wagen gehört Bernhard, ich meine, Herrn
Graupner.«
    »Was ist das für ein Modell?«, wollte Hecht wissen.
    »Ein alter Mercedes Kombi. Den hat früher noch sein
Vater gefahren. Bernhard hat ihn zum Studienbeginn bekommen und ihn dann
schwarz umlackiert, damit er würdig ausschaut. Ist aber eine ganz alte Mühle.«
    Morgenstern hörte es nicht gern, wenn sich
Grünschnäbel wie dieser Maier über alte Autos lustig machten. Vermutlich war
der Morgenstern’sche Landrover eine wesentlich ältere »Mühle« als dieser
Mercedes im Leichenwagendesign, nach dem sie nun zu fahnden hatten, trotzdem
hatte kein Mitglied der Familie Morgenstern die Absicht, sich von ihrem
altgedienten fahrbaren Untersatz zu trennen. Bis dass der TÜV euch scheidet, fiel ihm spontan ein. Ziemlich
unpassend, schließlich ging es hier nicht um das traurige Ende von
Blechkarossen, sondern von Menschenleben.
    »Haben Sie irgendeinen Anhaltspunkt oder eine
Vermutung, wohin Ihre Kameraden gefahren sein könnten?«, bohrte Hecht weiter.
    »Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer«, jammerte
Maier. »In letzter Zeit haben sie mir sowieso nichts mehr erzählt.«
    »Sie hatten also eine WG -Krise?«,
fragte Morgenstern neugierig. Und zu Hecht gewandt sagte er: »Typisch
Wohngemeinschaft. Erst ist alles heile Welt, aber lass nur ein bisschen Zeit
vergehen, dann fliegen die Fetzen – wegen Einkaufs und Abwasches und noch
anderer Dinge.«
    »Ach was, dafür braucht’s keine Wohngemeinschaft, das
habe ich in meiner Ehe auch geschafft«, gab Hecht melancholisch zurück.
    »Nein, es ging um was anderes«, unterbrach Maier den
Dialog der beiden Kommissare. »Nach dieser Sprayer-Aktion am Domplatz habe ich
die Nerven verloren. Ich wollte nicht mehr mitmachen. Dann haben die beiden
anderen angefangen, mich zu beschimpfen. Bernhard hat gesagt, ich sei ein
Hosenscheißer. Und seit dem Streit herrscht Funkstille.« Maier schniefte
erneut.
    Abermals legte ihm Morgenstern theatralisch die Hand
auf die Schulter, und Hecht fummelte

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