Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
wieder durchblutet. Verzweifelt versuchte er, seinen schleichenden Blutstrom zu beschleunigen. Aufgeregt bewegte er seine Finger, Hände, Handgelenke und schließlich, mit einem Gefühl des wilden Triumphes, seine Arme und Beine. Vielleicht hatte De Albors höllisches Gift über die Jahre an Wirksamkeit verloren. Aber vielleicht war es auch McGraths außergewöhnlicher Widerstandskraft zu verdanken, dass er die Wirkung des Giftes abschütteln konnte, obwohl dies wohl kaum einem anderen Mann gelungen wäre.
Sie hatten die Tür des Tunnels nicht verschlossen, und McGrath wusste, weshalb; sie wollten den Insekten den Zugang nicht versperren, die sich schon bald über seinen hilflosen Körper hergemacht hätten. Und tatsächlich strömte das Ungeziefer wie eine krankheitbringende Meute bereits in den Tunnel.
Endlich erhob sich McGrath. Er torkelte wie ein Betrunkener, doch dank seines eisernen Lebenswillens wurde er mit jeder Sekunde stärker. Als er aus der Höhle schwankte, sah er nicht ein einziges lebendiges Wesen. Es waren Stunden vergangen, seit die Schwarzen mit ihrer Beute abgezogen waren. Er horchte angestrengt nach den Trommeln. Alles war ruhig. Die düstere Stille legte sich wie ein unsichtbarer Nebel auf die Umgebung. Stolpernd folgte er dem Felsenpfad, der ihn zurück ans Festland führte, durch das Wasser. Hatten die Schwarzen ihre Gefangene zurück zur Villa der Toten gebracht oder sie noch tiefer in den Kiefernwald verschleppt?
Ihre tiefen Spuren waren im Schlamm gut zu erkennen: ein halbes Dutzend nackter, breiter Füße, die schmalen Abdrücke von Constances Schuhen und die Spuren von De Albors türkischen Pantoffeln. Als das Gelände anstieg und der Untergrund härter wurde, hatte er Schwierigkeiten, den Spuren weiter zu folgen.
Hätte er den Fetzen Seide, der in der sanften Brise flatterte, nicht gesehen, hätte er die Stelle verpasst, an der sie den dunklen Pfad verlassen hatten. Constances Kleid musste dort an einem Baumstamm hängen geblieben sein und dessen raue Borke musste ein Stück Stoff herausgerissen haben. Die Gruppe war in Richtung Osten, zur Villa, unterwegs gewesen. An der Stelle, an der er den Fetzen des Kleides entdeckte, war sie abrupt nach Süden abgebogen. Auf dem Kiefernnadelteppich waren keine Spuren zu erkennen, aber anhand der abgeknickten Kletterpflanzen und Zweige konnte McGrath ihren Weg nachvollziehen, bis diese Wegweiser ihn schließlich zu einem Pfad führten, der nach Süden abzweigte.
Hier und da gab es matschige Stellen auf dem Weg, in denen er die Abdrücke der nackten Füße und der Schuhe wiederfand. McGrath hastete den Pfad entlang, die Pistole in der Hand, endlich im Vollbesitz seiner Kräfte. Sein Gesicht sah grimmig und blass aus. De Albor hatte keine Gelegenheit gehabt, ihn zu entwaffnen, nachdem er seinen heimtückischen Schlag ausgeführt hatte. Sowohl der Mulatte als auch die einheimischen Schwarzen glaubten, er läge hilflos in der Vergessenen Höhle. Zumindest das war ein Vorteil für ihn.
Vergeblich horchte er weiter nach den Trommeln, die er bereits früher am Tag gehört hatte. Die Ruhe stimmte ihn nicht zuversichtlicher. Bei einem Voodoo-Opfer donnerten zwar stets wilde Trommeln, aber er wusste, dass er es mit etwas noch Älterem, noch Abscheulicherem als Voodoo zu tun hatte.
Immerhin war Voodoo eine vergleichsweise junge Religion, die in den Hügeln von Haiti entstanden war. Voodoo war nur die Spitze des Berges, zu dem sich die düsteren afrikanischen Religionen auftürmten – etwa so groß wie der Teil des Granitfelsens, der hinter dem Vorhang aus grünen Kletterpflanzen hervorschimmerte. Voodoo war nichts als ein quäkendes Kleinkind verglichen mit diesem schwarzen, schier undenkbaren Koloss, der in unzähligen Zeitaltern in einem uralten Land zu schrecklicher Form angewachsen war – in Zambebwei! Der bloße Name jagte ihm einen Schauer durch Mark und Bein – er war gleichbedeutend mit Angst und Schrecken. Es war mehr als nur der Name eines Landes und des geheimnisvollen Stammes, der dort lebte; er stand für etwas fürchterlich Altes und Böses, etwas, das seine natürliche Zeit bei Weitem überdauert hatte – für eine Religion der Nacht und für eine Gottheit, deren Name Tod und Schrecken bedeutete.
McGrath hatte die Hütten der Schwarzen bisher nicht gesehen. Er wusste, dass sie weiter im Osten und Süden standen, die meisten am Ufer des Flusses und an den kleinen Bachläufen, die ihm zuflossen. Ihr Instinkt trieb die Schwarzen dazu,
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