Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
und dass seine plötzlichen epileptischen Anfälle nur ein sichtbares Zeichen der Macht waren, die der Teufel über ihn hatte, aber dieses Gerede ist doch wirklich Unsinn und gehört ins finsterste Mittelalter. Wir wissen alle, dass John Grimlans Leben voller Gewalt und Bosheit war, selbst in seinen letzten Tagen. Er wurde aus gutem Grund von allen verabscheut und gefürchtet – ich wüsste nicht, dass er auch nur einmal etwas Gutes getan hätte. Du warst sein einziger Freund.«
»Und es war eine wirklich seltsame Freundschaft«, entgegnete Conrad. »Ich fühlte mich von seiner ungewöhnlichen Kraft angezogen. Trotz seines brutalen Wesens war John Grimlan ein hochgebildeter Mann. Er hat sich intensiv dem Studium des Okkulten gewidmet, und so habe ich ihn auch kennengelernt. Du weißt ja, dass ich mich selbst sehr für diesen Forschungsbereich interessiere.
Aber wie allem anderen begegnete Grimlan auch diesem Gebiet mit Boshaftigkeit, er verwandelte es in etwas Perverses. Er ließ die helle Seite des Okkulten völlig außer Acht und tauchte tief in die schwarzen, düsteren Abgründe ein – Teufelsanbetung, Voodoo und Schintoismus. Er verfügte über einen riesigen, unheilvollen Wissensschatz auf dem Gebiet dieser dunklen Künste und Wissenschaften. Wenn man ihm zuhörte, wie er von seinen Forschungen und Experimenten berichtete, verspürte man denselben Schrecken und denselben Abscheu wie vor einer giftigen Schlange. Es gab keine Untiefe, in die er nicht vorgedrungen wäre, aber manches hat er selbst mir gegenüber nur angedeutet. Ich kann dir sagen, Kirowan, es lässt sich leicht über Geschichten aus dieser schwarzen Welt lachen, wenn man sich in netter Gesellschaft und im strahlenden Sonnenschein befindet, aber wenn man, wie ich, zu unchristlicher Stunde in der stillen, bizarren Bibliothek von John Grimlan sitzt, sich all seine uralten, vermoderten Bücher ansieht und seinen unheimlichen Erzählungen lauscht, dann klebt einem vor schierem Grauen die Zunge am Gaumen, und das Übernatürliche kommt einem sehr real und nahe vor – so erging es zumindest mir!«
»In Gottes Namen, Mann!«, rief ich, denn die Spannung war kaum noch auszuhalten. »Komm’ endlich zur Sache und sag’ mir, was du von mir willst!«
»Ich will, dass du mit mir zu John Grimlans Haus kommst und mir dabei hilfst, seine haarsträubenden Anweisungen bezüglich seiner Leiche auszuführen.«
Ich war nicht gerade in Abenteuerlaune, zog mich aber dennoch hastig an, wobei ich gelegentlich von schauderhaften Vorahnungen geschüttelt wurde. Als ich fertig war, folgte ich Conrad aus der Tür und über die totenstille Straße, die zu John Grimlans Haus führte. Der Weg verlief bergauf, und wann immer ich nach oben oder nach vorne blickte, sah ich das große finstere Haus wie einen bösartigen Vogel schwarz und starr auf dem Hügel sitzen, wobei es die Sterne fast völlig verdeckte. Im Westen, wo der Halbmond vor Kurzem hinter den niedrigen schwarzen Hügeln untergegangen war, leuchtete noch immer ein einzelner, blassroter Fleck. In dieser Nacht schien das Böse überall zu lauern, und das ununterbrochene Rascheln der Flügel von Fledermäusen über mir ließ mich immer wieder zusammenzucken und meine angespannten Nerven erzittern.
Um das heftige Klopfen meines eigenen Herzens zu übertönen, sagte ich: »Glaubst du auch, wie fast alle anderen, dass John Grimlan verrückt war?«
Wir gingen noch ein paar Schritte, bevor Conrad, eigenartigerweise mit offensichtlichem Widerwillen, antwortete: »Bis auf einen einzigen Zwischenfall würde ich sagen, dass kein Mensch je mehr Herr seiner Sinne war als Grimlan. Aber eines Nachts, es war in seinem Arbeitszimmer, schien er plötzlich irre geworden zu sein.
Er hatte stundenlang über sein Lieblingsthema gesprochen – die schwarze Magie –, als sein Gesicht plötzlich in einem unheilvollen Glanz erstrahlte und er brüllte: ›Wieso sitze ich hier und fasele all dieses Zeug, dieses Kindergeschwätz? Voodoo-Rituale – Schinto-Opfer – gefiederte Schlangen – Ziegen ohne Hörner – schwarze Leoparden-Kulte – pah! Dreck und Staub, die im Wind verwehen! Sie sind nichts im Vergleich zu dem wahrhaft Unbekannten – den tiefen Geheimnissen! Nichts als Echos aus der Tiefe!
Ich könnte dir Dinge erzählen, durch die dein erbärmliches Hirn zerplatzen würde! Ich könnte dir Namen ins Ohr flüstern, die dich wie einen verbrannten Grashalm verdorren lassen würden! Was weißt du über Yog-Sothoth, über
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