Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
und flüsterte mir ins Ohr: » Die Fußspuren waren von einem Mann mit Schuhen!«
Auch wenn ich annahm, dass Gola mich anlog, spürte ich wirkliche Angst in mir aufsteigen. Wer verübte nach Ansicht der Eingeborenen denn diese grauenhaften Morde?
Er antworte: »Dom Vincente!«
Jetzt, Messieurs, schwirrte mir vollends der Kopf. Was hatte all das zu bedeuten? Wer hatte den Deutschen ermordet und war über Marcita hergefallen? Als ich noch einmal über das Geschehen nachdachte, vermutete ich, dass es eher ein Mord- als ein Vergewaltigungsversuch gewesen war.
Wieso hatte de Montour uns gewarnt? Offensichtlich wusste er noch mehr über das Verbrechen, denn schließlich hatte er uns beweisen können, dass Desmarte unschuldig war.
Ich verstand überhaupt nichts mehr.
Die Kunde des Mordes erreichte trotz unserer Bemühungen bald die Eingeborenen; sie wurden rebellisch und nervös, und an jenem Tag ließ Dom Vincente drei Schwarze wegen Ungehorsams auspeitschen. Eine nachdenkliche Atmosphäre legte sich über das Schloss.
Ich spielte mit dem Gedanken, Dom Vincente zu erzählen, was Gola mir berichtet hatte, entschied mich jedoch, noch eine Weile zu warten.
Die Frauen blieben an diesem Tag auf ihren Zimmern, die Männer waren unruhig und launisch. Dom Vincente verkündete, dass die Wachposten verdoppelt wurden und dass einige auf den Korridoren des Schlosses patrouillierten. Ich dachte zynisch, dass, wenn Golas Verdacht sich bestätigte, Wachposten keine große Hilfe sein würden.
Ich bin kein Mann, Messieurs, der solch eine Situation geduldig abzuwarten vermag. Und damals war ich jung. Als wir vor dem Zubettgehen gemeinsam noch einen Becher tranken, knallte ich meinen plötzlich auf den Tisch und verkündete wütend, dass ich trotz des mörderischen Mannes, egal ob Bestie oder Dämon, in dieser Nacht bei weit geöffneter Tür schlafen würde. Dann verließ ich voller Zorn laut stampfend den Raum und ging auf mein Zimmer.
De Montour suchte mich wie bereits in der ersten Nacht auf. Er sah aus, als habe er in die weit geöffneten Tore der Hölle geblickt.
»Ich bin gekommen«, sagte er, »um Sie zu bitten – nein, Monsieur, um Sie anzuflehen – Ihre unbesonnene Absicht noch einmal zu überdenken.«
Ich schüttelte ungeduldig den Kopf.
»Sie sind entschlossen? Ja? Dann bitte ich Sie darum, etwas anderes für mich zu tun. Wenn ich mein Zimmer betreten habe, bitte ich Sie, die Tür von außen zu verriegeln.«
Ich tat, worum er mich gebeten hatte, und ging dann auf mein Zimmer zurück. Meine Gedanken rasten durch ein Labyrinth der Verwirrung. Ich hatte Gola in die Sklavenquartiere geschickt. Degen und Dolch lagen in Reichweite bereit. Ich ging jedoch nicht zu Bett, sondern kauerte mich in der Dunkelheit auf einem großen Sessel zusammen.
Nur mit Mühe konnte ich mich wach halten. Um nicht einzuschlafen, dachte ich über die seltsamen Worte de Montours nach. Er schien sehr gequält und nervös zu sein, in seinen Augen waren die Schatten entsetzlicher Geheimnisse zu erkennen, die nur er allein kannte. Und dennoch sah er nicht aus wie ein böser Mensch.
Ich verspürte plötzlich den Impuls, ihn auf seinem Zimmer aufzusuchen und mit ihm zu sprechen.
Durch die finsteren Korridore zu gehen, war eine schauerliche Erfahrung, aber schließlich stand ich vor de Montours Tür. Leise rief ich seinen Namen. Stille. Ich streckte eine Hand aus und fühlte gesplittertes Holz. Hastig entzündete ich das Zundereisen, das ich bei mir trug, und im Schein des brennenden Zunders sah ich, dass die schwere Eichentür aus den Angeln gesprungen und von innen völlig zertrümmert worden war. De Montours Zimmer war verlassen.
Von einem Instinkt geleitet, eilte ich schnell, aber leise – ohne Schuhe waren meine Schritte sehr leicht – zu meinem Zimmer zurück. Als ich mich der Tür näherte, bemerkte ich, dass sich in der Dunkelheit vor mir irgendetwas bewegte. Etwas, das aus einem seitlichen Korridor herankroch und schleichend immer näher kam.
In schrecklicher, panischer Angst sprang ich nach vorne und schlug wie wild ziellos mit meinem Schwert ins Dunkel. Meine geballte Faust traf auf den Kopf eines Menschen, und dann fiel krachend etwas zu Boden. Wieder entzündete ich das Zundereisen. Vor mir lag ein ohnmächtiger Mann auf dem Boden – es war de Montour.
Ich entzündete eine Kerze in einem Halter an der Wand, und just in diesem Augenblick öffnete de Montour die Augen und erhob sich unsicher.
»Sie!«, rief ich aus und wusste
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