Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Marcitas Zimmer geeilt?«
»Verflucht seien Sie, das ist eine Lüge!«, brüllte er. Er hatte sofort sein Schwert gezogen, das nun auf meine Brust zuschnellte. Aber so schnell er auch sein mochte, der Spanier war schneller. Desmartes Degen schmetterte gegen die Wand, er selbst blieb steif wie eine Statue stehen, als die ruhige Schwertspitze des Spaniers seine Kehle berührte, der emotionslos sagte: »Fesselt ihn!«
»Senken Sie Ihre Klinge, Don Florenzo«, befahl Dom Vincente und trat ein paar Schritte näher, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Signor Desmarte, Sie sind einer meiner engsten Freunde, aber hier bin ich das Gesetz, und ich muss meine Pflicht erfüllen. Geben Sie mir Ihr Wort, dass Sie nicht fliehen werden?«
»Ich gebe Ihnen mein Wort«, antwortete der Gascogner ruhig. »Ich habe überstürzt gehandelt. Es tut mir leid. Ich hatte nicht die Absicht, zu fliehen, aber die Flure und Korridore dieses verfluchten Schlosses verwirren mich.«
Von allen Anwesenden schenkte wohl nur ein Mann seinen Worten Glauben.
»Messieurs!« De Montour trat jetzt nach vorne. »Diesen jungen Mann trifft keine Schuld. Drehen Sie den Deutschen um.«
Zwei Soldaten taten, wie er befohlen hatte. De Montour erschauderte und zeigte auf die Leiche. Wir anderen warfen einen kurzen Blick auf sie und wandten uns vor Entsetzen sofort wieder ab.
»Hätte irgendein Mensch so etwas tun können?«
»Mit einem Dolch …«, begann jemand aus der Runde.
»Mit keinem Dolch kann man jemandem Wunden wie diese zufügen«, unterbrach ihn der Spanier. »Der Deutsche ist von den Krallen irgendeiner schrecklichen Kreatur in Stücke gerissen worden.«
Wir blickten uns um und erwarteten beinahe, dass sich ein fürchterliches Ungeheuer aus den Schatten auf uns stürzen würde.
Wir durchsuchten anschließend das gesamte Schloss, jeden Winkel, jeden Zentimeter. Aber wir fanden keine Spur irgendeiner Bestie.
Als ich auf mein Zimmer zurückkehrte, brach bereits der Morgen an. Gola hatte sich eingeschlossen und es dauerte fast eine halbe Stunde, bis ich ihn davon überzeugen konnte, mich einzulassen.
Nachdem ich ihm eine Ohrfeige gegeben und ihn wegen seiner Feigheit gescholten hatte, erzählte ich ihm, was passiert war. Er verstand Französisch und konnte in einer wilden Sprachmischung antworten, die er stolz ebenfalls als Französisch bezeichnete. Mit weit geöffnetem Mund und Augen, die vor Schreck ganz weiß waren, lauschte er, als ich mich dem Höhepunkt der Geschichte näherte.
»Ju-ju!«, flüsterte er angsterfüllt. »Fetisch-Mann!«
Plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich hatte vage Erzählungen gehört, kaum mehr als Andeutungen einer Legende, die von einem teuflischen Leoparden-Kult handelten, den es an der Westküste geben sollte. Kein Weißer hatte je einen seiner Anhänger gesehen, aber Dom Vincente hatte Geschichten von Tier-Menschen erzählt, die sich in Leopardenfelle kleideten, bei Mitternacht mordend durch den Dschungel streiften und ihre Beute anschließend verschlangen. Ein grauenhafter Schauer lief mir die Wirbelsäule hinunter und wieder hinauf, und im nächsten Augenblick hatte ich Gola so fest gepackt, dass er aufschrie.
»War es ein Leoparden-Mensch?«, zischte ich Gola an und schüttelte ihn dabei kräftig.
»Massa, Massa!«, rief er atemlos aus. »Ich guter Junge! Ju-ju fangen Menschen! Mehr besser nicht sagen!«
»Sag es mir!«, herrschte ich ihn an und schüttelte ihn erneut, bis er schließlich schwach mit den Händen wedelte und versprach, mir alles zu sagen, was er wusste.
»Kein Leoparden-Mensch!«, flüsterte er, und seine Augen weiteten sich, als verspüre er eine übernatürliche Angst. »Mond, wenn voll, Holzfäller finden, Pranken zerfetzen. Finden anderen Holzfäller. Großer Massa, Dom Vincente, sagt Leopard. Kein Leopard. Aber Leoparden-Mensch, er kommen um zu töten. Etwas töten Leoparden-Mensch! Viele Krallen! Ay, ay! Mond wieder voll. Etwas kommen in einsame Hütte; zerreißen Frau, zerreißen kleine Baby. Mann findet zerrissen beide. Großer Massa sagt, Leopard war es. Mond wieder voll, und Holzfäller finden, Krallen zerrissen. Jetzt ist im Schloss. Kein Leopard. Aber immer Fußspuren von Mensch! «
Erschrocken und ungläubig holte ich Luft.
Gola betonte noch einmal, dass er die Wahrheit gesagt habe. Jedes Mal führten menschliche Fußspuren vom Ort des Geschehens weg. Weshalb hatten die Eingeborenen dem großen Massa dann nicht gesagt, er solle den Täter jagen?
Gola sah mich wissend an
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