Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Rauschzustand, und ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als ihr als ergebener Sklave zu dienen.
Eines Tages flickte ich gerade einen Sattel, als sie zu mir gerannt kam.
»Oh, Steve!«, rief sie. »Draußen steht der traumhafteste Wilde, den ich je gesehen habe! Komm schnell und sag mir, wie er heißt.«
Sie führte mich hinaus auf die Veranda.
»Da ist er.« Sie deutete naiv in seine Richtung. Dort stand, mit verschränkten Armen und hoch erhobenem Kopf, Senecoza.
Ludtvik, der gerade mit ihm sprach, schenkte dem Mädchen keine Beachtung, bevor er seinen Handel mit dem Fetischmann abgeschlossen hatte, anschließend drehte er sich zu ihr um, ergriff ihren Arm, und gemeinsam gingen sie ins Haus zurück.
Wieder stand ich direkt vor dem Wilden, aber dieses Mal sah er mich nicht an. Mit entsetzlicher Wut, die mich an den Rand des Wahnsinns brachte, sah ich, dass er dem Mädchen nachstarrte, und in seinen Augen lag ein schlangenhafter Ausdruck …
Im nächsten Moment hielt ich ihm meine Waffe unter die Nase. Meine unbändige Wut ließ meine Hand wie ein Blatt im Wind erzittern. Ich musste Senecoza, diese Schlange, erschießen, ja, ihn nicht nur erschießen, sondern durchlöchern, ihn zu einem Haufen Fetzen zerschießen!
Der flüchtige Ausdruck verschwand aus seinen Augen, die sich nun auf mich richteten. Sie wirkten entrückt, unmenschlich in ihrer boshaften Ruhe. Ich konnte nicht abdrücken.
Für einen Augenblick standen wir einander gegenüber, dann wandte er sich ab und ging, eine eindrucksvolle Erscheinung. Ich hingegen starrte ihm nur hinterher und knurrte vor hilfloser Wut.
Ich setzte mich auf die Veranda. Was für ein mysteriöser Mann dieser Wilde doch war! Welche eigentümlichen Kräfte besaß er? Hatte ich den flüchtigen Ausdruck in seinen Augen, als er dem Mädchen nachsah, richtig gedeutet? In meiner jugendlichen Torheit kam es mir einfach unglaublich vor, dass ein Schwarzer, ganz gleich, welche Stellung er auch innehatte, eine weiße Frau so ansah, wie er es getan hatte. Aber am erstaunlichsten fand ich die Tatsache, dass ich ihn nicht hatte erschießen können.
Ich schreckte hoch, als ich eine Hand auf meinem Arm spürte.
»Woran denkst du, Steve?«, fragte Ellen lachend. Und noch bevor ich ihr antworten konnte, fügte sie hinzu: »War dieser Häuptling, oder was er auch sein mag, nicht ein Bild von einem Wilden? Er hat uns eingeladen, ihn in seinem Kral zu besuchen – nennt man es nicht so? Er befindet sich irgendwo draußen in der Steppe, und wir gehen hin.«
»Nein!«, rief ich entsetzt aus und sprang auf.
»Aber Steve«, sagte sie überrascht, »wie unhöflich! Er ist ein perfekter Gentleman, nicht wahr, Cousin Ludtvik?«
»Ja, ja«, nickte Ludtvik ruhig, »wir besuchen ihn vielleicht bald in seinem Kral. Ein wirklich starker Häuptling, dieser Wilde. Vielleicht kann ich mit seinem obersten Häuptling ja auch gute Geschäfte machen.«
»Nein!«, wiederholte ich wütend. »Wenn schon jemand gehen muss, dann werde ich das sein! Ellen geht nicht in die Nähe dieser Bestie!«
»Na, das ist ja reizend!«, erwiderte Ellen, leicht empört. »Der feine Herr hält sich wohl für meinen Boss!«
So lieblich sie auch sein mochte, sie war ebenso eigensinnig. Obwohl ich sehr lange auf sie einredete, beschlossen die beiden, am folgenden Tag das Dorf des Fetischmannes zu besuchen.
In dieser Nacht saß ich im Mondlicht auf der Veranda, als das Mädchen aus dem Haus trat und sich auf die Armlehne meines Stuhls setzte.
»Du bist doch nicht böse auf mich, oder, Steve?«, fragte sie traurig und legte mir ihren Arm um die Schultern. »Du bist nicht böse, oder?«
Böse? Nein, böse nicht. Aber es machte mich beinahe wahnsinnig, als ich ihren sanften Körper spürte – ich empfand die dem Wahnsinn nahe Ergebenheit eines Sklaven für sie. Ich wollte vor ihr im Dreck kriechen und ihre eleganten Schuhe küssen. Werden Frauen denn niemals begreifen, welche Wirkung sie auf Männer ausüben?
Ich nahm zögernd ihre Hand und presste sie an meine Lippen. Ich vermute, dass sie meine Ergebenheit, zumindest teilweise, spüren konnte.
»Mein liebster Steve«, murmelte sie, und ihre Worte fühlten sich für mich wie ein Streicheln an. »Komm, lass uns ein bisschen im Mondlicht spazieren gehen.«
Wir verließen die Umzäunung – ich hätte es eigentlich besser wissen müssen, denn außer dem großen türkischen Dolch, den ich stets mit mir führte, da ich ihn als Jagdmesser benutzte, trug ich keine Waffe
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