Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Gliedmaßen waren von kaltem Schweiß bedeckt, als ich das Licht wieder anmachte. John Murken war tot. Sein verzerrtes Gesicht war ein grauenhafter Anblick. An seinem Körper sah man keine Wunde, aber seine rechte Hand hielt sein linkes Handgelenk in einem Griff tödlicher Verzweiflung fest umklammert.
Die Hyäne
Schon von dem Moment an, als ich Senecoza, den Fetischmann, zum ersten Mal sah, misstraute ich ihm, und dieses vage Gefühl des Misstrauens verwandelte sich schließlich in Hass.
Ich lebte erst seit Kurzem an der Ostküste, die afrikanische Lebensweise war noch neu für mich, und, ausgestattet mit einer gehörigen Portion Neugier, folgte ich meist meinen Impulsen. Da ich aus Virginia stamme, war ich voller Vorbehalte und Vorurteile gegenüber allem, was mir fremd war, und zweifellos hatte das Gefühl der Unterlegenheit, das Senecoza bei jeder Begegnung in mir weckte, großen Anteil an meiner Antipathie ihm gegenüber.
Er war überraschend groß, maß an die zwei Meter, aber sein schlanker Körper war so muskulös, dass er über neunzig Kilogramm wog. Sein Gewicht war schier unglaublich, wenn man seine dünne Gestalt betrachtete, und dennoch schien er nur aus Muskeln zu bestehen – ein schlanker, schwarzer Riese. Seine Züge schienen nicht die eines durch und durch Schwarzen zu sein, sie glichen eher denen eines Berbers als eines Bantu – die hohe, gewölbte Stirn, die dünne Nase und die schmalen, geraden Lippen – aber sein Haar kräuselte sich ebenso wie das der Buschmänner, und er war noch schwärzer als jeder Massai. Seine glänzende Haut hatte eine andere Farbe als die der eingeborenen Stammesmänner, und daher nahm ich an, dass er einem anderen Stamm angehörte.
Auf der Ranch sahen wir ihn nur selten. Meist tauchte er ohne Vorwarnung in unserer Mitte auf oder wir sahen ihn durch das schulterhohe Gras über die Steppe wandeln; manchmal war er allein, manchmal folgten ihm einige der wilderen Massai in respektvollem Abstand. Sie versammelten sich in einiger Entfernung von den Gebäuden, ergriffen nervös ihre Speere und starrten die Anwesenden argwöhnisch an.
Er grüßte uns stets mit vornehmer Anmut; überhaupt trat er höflich und vornehm auf, doch irgendwie ging mir gerade das, wenn ich es so ausdrücken will, gegen den Strich. Ich hatte immer das vage Gefühl, der Schwarze mache sich über uns lustig. Er baute sich vor uns auf – ein nackter, bronzefarbener Riese – um mit ganz einfachen Dingen zu handeln, verhandelte bei Tauschgeschäften etwa über einen Kupferkessel, Perlen oder eine Muskete, richtete dann die Grüße irgendeines Häuptlings aus und verschwand wieder.
Ich mochte ihn nicht. Jung und ungestüm, wie ich war, äußerte ich meine Meinung auch gegenüber Ludtvik Strolvaus, einem ganz entfernten Verwandten – ein Cousin zehnten Grades oder dergleichen –, auf dessen Ranch und Handelsposten ich weilte.
Ludtvik kicherte nur in seinen blonden Bart und erwiderte, der Fetischmann sei in Ordnung. »Es stimmt schon, dass er eine gewisse Macht über die Eingeborenen hat. Sie fürchten ihn alle. Aber er ist ein Freund der Weißen. Wirklich.«
Ludtvik lebte schon seit Langem an der Ostküste; er kannte sich mit den Eingeborenen ebenso aus wie mit den australischen Rindern, die er züchtete, aber seine Fantasie reichte nicht allzu weit.
Die Gebäude der Ranch waren von einem Zaun umgeben und standen auf einem Hang, von dem man einen unendlich weiten Blick über das beste Weideland Afrikas hatte. Die Umzäunung war sehr solide und glich beinahe einer Festung. Die meisten der tausend Rinder konnten im Falle eines Aufstands der Massai in die Umzäunung getrieben werden. Ludtvik war übertrieben stolz auf sein Vieh.
»Heute sind es eintausend«, teilte er mir mit, und sein rundes Gesicht strahlte, »schon eintausend. Aber bald, ja, bald schon werden es zehntausend und noch einmal zehntausend sein. Es ist ein guter Anfang, aber eben nur ein Anfang. Fürwahr!«
Ich muss gestehen, dass ich wenig Begeisterung für das Vieh aufbringen konnte. Die Eingeborenen hüteten es und pferchten es ein; alles, was Ludtvik und ich tun mussten, war herumzureiten und Befehle zu geben. Diese Art der Arbeit gefiel ihm am besten, und ich überließ ihm den größten Teil.
Mein Lieblingssport bestand darin, über die Steppe zu reiten, entweder allein oder in Begleitung eines Gewehrträgers. Erstens war ich ein erbärmlicher Schütze – ich hätte wohl Schwierigkeiten gehabt, einen Elefanten aus
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