Volk der Finsternis - Horrorgeschichten (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
Weiße umzubringen, du Narr!«, sagte er höhnisch. »Sie ziehen von Ranch zu Handelsposten, und zuerst besuchen sie diesen närrischen Engländer.« Er sprach von Smith, dem Besitzer der Nachbarranch.
Er erzählte mir noch mehr Einzelheiten. Senecoza habe den Plan entworfen, prahlte er. Sie würden sämtliche Weiße an die Küste vertreiben.
»Senecoza ist viel mehr als ein Mann«, verkündete er stolz. »Du wirst es sehen, weißer Mann.« Er sprach nun leiser und sah mich unter seinen buschigen Brauen mit gesenktem Blick an: »Du wirst Senecozas Zauberkräfte bald sehen.«
Jetzt grinste er, und ich erkannte seine spitz gefeilten Zähne.
»Ich bin ein Kannibale! Ein Mann Senecozas«, beantwortete er meinen fragenden Blick.
»Der keine Weißen töten wird«, spottete ich.
Er funkelte mich wild aus finsteren Augen an: »Ich werde dich töten, weißer Mann.«
»Das wagst du nicht.«
»Das stimmt«, räumte er ein, und fügte wütend hinzu: »Denn Senecoza wird dich persönlich töten.«
Unterdessen ritt Ellen mit dem Mut der Verzweiflung immer weiter. Es gelang ihr zwar, ihren Vorsprung vor dem Fetischmann auszubauen, aber sie konnte die Richtung zur Ranch nicht einschlagen, da er ihr den Weg versperrte und sie immer weiter auf die Steppe hinaus zwang.
Der Schwarze löste jetzt meine Fesseln. Seine Gedankengänge waren so leicht zu durchschauen, dass es schon beinahe absurd war. Er konnte vielleicht keinen Gefangenen des Fetischmanns töten, aber sollte dieser versuchen, zu fliehen, dann durfte er ihn durchaus umbringen. Seine Blutrünstigkeit trieb ihn an den Rand des Wahnsinns. Er trat ein paar Schritte zurück und legte die Muskete an, und dabei beobachtete er mich wie eine Schlange ein Kaninchen.
Es muss ungefähr zu diesem Zeitpunkt gewesen sein, so erzählte Ellen mir später, dass ihr Pferd stolperte und sie abwarf. Bevor sie wieder aufstehen konnte, hatte der Schwarze sie mit seinen kräftigen Armen gepackt. Sie schrie und wehrte sich, aber er hielt sie nur noch fester umklammert. Völlig hilflos hing sie in seinen Armen, während er sie auslachte. Er riss ihre Jacke in Fetzen und fesselte ihre Arme und Beine, dann legte er das halb bewusstlose Mädchen auf den Sattel und stieg hinter ihr wieder auf das Pferd.
Unterdessen erhob ich mich vor der Hütte langsam vom Boden. Ich rieb mir meine soeben befreiten Handgelenke, ging ein Stück auf den Schwarzen zu, streckte mich, beugte mich schließlich nach vorne und rieb mir auch die Beine – und dann stürzte ich mich mit dem Sprung einer Katze auf ihn und zog blitzschnell mein Messer aus dem Stiefel.
Die Muskete krachte. Die Kugel sauste über meinen Kopf hinweg, als ich den Lauf nach oben schlug und meinen Gegner packte. Bei einem Faustkampf wäre ich chancenlos gegen den schwarzen Riesen gewesen, aber ich hatte ja das Messer. Wir rangen so eng umschlungen miteinander, dass er die Muskete nicht als Knüppel benutzen konnte. Er verschwendete mit seinen Versuchen jedoch wertvolle Zeit, und mit verzweifelter Kraft warf ich ihn aus dem Gleichgewicht und stieß den Dolch bis zum Griff in seine schwarze Brust.
Ich zog ihn sofort wieder heraus, denn da ich keine Munition für die Muskete finden konnte, blieb er meine einzige Waffe.
Ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung Ellen geflohen war, nahm jedoch an, dass sie in Richtung der Ranch geritten sein musste, und so machte ich mich dorthin auf. Smith musste gewarnt werden. Die Krieger waren mir weit voraus, vielleicht schlichen sie bereits in diesem Augenblick um die ahnungslose Ranch herum.
Ich hatte noch nicht einmal ein Viertel des Weges zurückgelegt, als ich hinter mir das Donnern von Hufen vernahm und mich umdrehte. Ellens Pferd galoppierte auf mich zu – ohne Reiter. Ich fing die Zügel, als es an mir vorbeirannte, und es gelang mir, es anzuhalten. Ich konnte mir gut vorstellen, was geschehen war. Entweder war es Ellen gelungen, sich in Sicherheit zu bringen und sie hatte das Pferd freigelassen, oder – und diese Möglichkeit schien mir entschieden wahrscheinlicher – Ellen war gefangen genommen worden, und das Pferd war seinem Instinkt gefolgt und geflohen. Ich ergriff den Sattel, sprang auf und trieb es heftig an, in Richtung von Smiths Ranch, die nur wenige Meilen entfernt lag. Ich würde nicht zulassen, dass diese schwarzen Teufel Smith abschlachteten, und außerdem brauchte ich eine Schusswaffe, um das Mädchen aus Senecozas Klauen befreien zu können.
Etwa eine halbe Meile von Smiths
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