Voll auf Ex-Kurs Roman
Strähne fällt ihm in die Stirn, und er streicht sie sich mit einer Hand aus dem Gesicht, bevor er Barbara zur Begrüßung umarmt. Den anthrazitfarbenen Anzug, den er trägt, habe ich an ihm noch nie gesehen, darunter hat er ein schwarzes Hemd an. Sein Teint wirkt frisch und gesund, nicht im Geringsten überarbeitet. Insgesamt scheint er sogar gewachsen zu sein, und seine sonst so jungenhafte Ausstrahlung ist einer wesentlich männlicheren gewichen. Was ist denn da passiert? Das ist ein völlig anderer Philip als der, den ich zum letzten Mal gesehen habe. Für einen kurzen Moment bekomme ich regelrecht weiche Knie, das Herz klopft mir bis zum Hals, und meine Hände werden feucht. Irritiert schüttele ich den Kopf über mich selbst. Sicher, ich hatte mich gefreut, meinen Mann endlich mal wieder zu sehen -, aber dass eine Begegnung mit ihm solche Reaktionen auslöst, hätte ich nun nicht gedacht.
Schon will ich mit zwei großen Schritten auf die beiden zugehen, um Philip ebenfalls zu begrüßen, als ich mitten in
der Bewegung innehalte. Denn erst jetzt bemerke ich, dass direkt hinter meinem Mann noch eine Person steht. Eine Frau. Eine ziemlich hübsche Frau. Eine sogar sehr hübsche Frau mit einer zierlichen Figur und langen schwarzen Haaren, die ihr bis fast zur Taille gehen. Sie ist relativ blass, was aber in Kombination mit ihrem lilafarbenen Kleid im romantischen Empire-Schnitt ziemlich gut aussieht. Ich sehe, wie Philip Barbara seine Begleitung vorstellt, lächelnd schüttelt meine Kollegin dem Schneewittchen-Verschnitt die Hand. Wer, bitte, ist das? Und wieso hat Philip sie mit dabei? Erst heißt es, er kommt gar nicht – und dann taucht er hier mit einer Frau auf? Nein, so haben wir nicht gewettet!
Ich will mich schnell umdrehen und in die Küche flüchten, da hat Philip mich leider schon entdeckt und bewegt sich in meine Richtung. Seine Begleitung folgt ihm, und ich registriere erleichtert, dass sie immerhin nicht Händchen halten.
»Pia!« Er strahlt mich mit seinen Schokoaugen an und nimmt mich kurz in den Arm. »Hatte schon Sorge, du könntest bereits weg sein, ich komme direkt von der Arbeit und dachte, ich schau wenigstens noch mal kurz vorbei.«
»Hallo!«, hauche ich und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.
»Darf ich vorstellen«, er dreht sich zum Schneewittchen. »Das ist meine Verlagskollegin Franziska.« Franziska, natürlich hat sie auch noch einen engelsgleichen Namen, war ja klar. »Wir haben«, spricht Philip weiter, »bis eben noch an einer Sache gearbeitet, und ich dachte, ich nehme sie auf einen Absacker mit hierher.«
»Franziska, das ist meine Exfrau Pia.« Ich ergreife die zerbrechliche Hand, die sie mir hinhält, und schüttele sie.
»Seine Frau«, korrigiere ich Philip dann, » noch bin ich seine Frau.«
»Nun ja«, Philip lacht etwas unsicher auf, »auf dem Papier.«
»Und vor Gott und der Kirche«, rutscht es mir heraus. Im selben Moment frage ich mich, was gerade nur in mich gefahren ist, dass ich mich vor einer Kollegin von Philip so benehme und regelrecht feindselig zu ihr bin. Ist doch nichts dabei, dass er jemanden aus dem Verlag mitbringt. Auch mein Mann wirkt ein wenig irritiert.
»Komm«, sagt er zu seiner Begleitung, »ich bringe jetzt erstmal unsere Mäntel weg, dann besorge ich uns was zu trinken.« Mit den Jacken überm Arm – ihre hat er ihr, ganz der Gentleman, natürlich schon längst abgenommen – verschwindet er im Schlafzimmer und lässt mich mit Schneewittchen allein im Flur zurück.
»Philip hat viel von Ihnen erzählt«, erklingt ihr glockenklares Stimmchen.
»So? Hat er das?«
»Ja.« Sie nickt. »Wir haben in letzter Zeit sehr eng zusammengearbeitet, da erzählt man sich natürlich auch hin und wieder Privates.« Aus nahezu pechschwarzen Augen mustert sie mich, und ich kann nicht sagen, ob wohlwollend oder ablehnend. »Ich hatte Sie mir irgendwie ganz anders vorgestellt.«
»Wie denn?« Ehe ich noch erfahren kann, was genau für eine Vorstellung der Engel denn so von mir hatte, ist Philip zurück.
»Was möchtest du denn trinken?«, fragt er Franziska.
»Einen Sekt hätte ich gern.«
»Und du?«, wendet er sich an mich.
»Schon gut«, versichere ich eilig, »ich komm kurz mit, wollte eh noch mal zum Buffet.« Ich werfe Schneewittchen ein übertrieben freundliches Lächeln zu, dann folge ich Philip Richtung Küche.
»Ist das nur eine Kollegin?«, zische ich ihm zu, während Philip am Verschluss einer Sektflasche herumhantiert und ich mir
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