Voll erwischt

rauskommt, sobald du den Mund aufmachst. Und zweitens: nur weil ich zufälligerweise weiß, daß du einmal was gestohlen hast, muß das noch lange nicht heißen, daß ich dir nicht vertrauen kann, daß ich bei allem, was du tust, denke, du klaust nur wieder irgendwas anderes. Ich bin keiner von der Sorte, der sagt, wer einmal Unrecht tut, wird’s immer wieder tun, und ich werd auch nicht für immer und alle Zeiten versuchen zu beweisen, daß ich bei dir von Anfang an recht hatte. Nein, so läuft das bei mir nicht.
    Also, ich laß dich jetzt los und hoffe, du düst nicht sofort ab und versuchst, mir zu entwischen. Denn, und jetzt komme ich zu drittens, und du solltest verdammt gut zuhören, denn es könnte dich davor bewahren, was aufs Auge zu kriegen. Falls du’s doch tust, falls du wegläufst, meine ich, dann werde ich, und ich heiße Norman, ganz tief Luft holen und dir nachlaufen, und noch bevor du ein Dutzend Schritte weit gekommen bist, hab ich dich eingeholt und dir eine geknallt, und dann liegst du auf dem Bürgersteig, und ich stell dich auf die Füße, und dann hab ich dich wieder am Wickel, womit wir wieder da wären, wo wir angefangen haben.
    Wenn’s soweit ist, könntest du natürlich schreien und ein Mordsspektakel veranstalten, und dann kommt vielleicht ein Bulle oder sonst irgendwer vorbei und stellt Fragen, und wenn das passiert, ziehe ich diesen Lippenstift aus der Tasche und verlange einen Orden.
    Hast du mich verstanden?»
    Janet nickte.
    Norman ließ ihren Arm los, und sie gingen nebeneinander die Straße hinunter.
    Nach einer Weile fragte Janet: «Was wollen Sie von mir?»
    «Weiß noch nicht so genau», antwortete Norman.
    Sie gingen wieder eine Weile. «Die Sache ist doch so», sagte er dann. «Wenn ich mich entschieden hab und es dir sage, wirst du bereits selbst an manche der Dinge gedacht haben, die ich von dir will. Kann sein, daß es dir gefällt, kann aber auch sein, daß nicht. So oder so wird’s nicht groß schaden. Du wirst es einfach tun. Aber manche von den Sachen sind auch völlig anders. Du wirst noch nicht selbst dran gedacht haben. Du wirst ’scheinlich noch nicht mal davon gehört haben.»
    Dabei ließ er es bewenden, ließ es im Raum stehen. Sie gingen weiter. Janet dachte ein paarmal daran, doch abzuhauen, beschloß aber, nicht leichtsinnig zu sein. «Okay», sagte sie schließlich. «Okay, Norman.»
     
    Janet hatte eine Dreizimmerwohnung in Tang Hall. Im ersten Stock betrat man ein Wohnzimmer mit einem offenen Kamin; es roch nach einer Mischung aus Feuchtigkeit und Katze. Daran schloß sich eine winzige Küche mit einem Tisch und einem Gasherd an, und schließlich folgte ein dunkles, fensterloses Schlafzimmer mit einem riesigen ungemachten Bett. Dieser letzte Raum hatte bis vor achtzehn Monaten noch ein Fenster gehabt, aber es war kaputtgegangen, und der Vermieter hatte beschlossen, es mit Brettern zu vernageln.
    Auf dem zweiten Stock befand sich ein Bad, das sich Janet und die Mädchen aus den übrigen Wohnungen des Gebäudes teilten. Die Mädchen und einige ihrer festeren Freunde nannten es allerdings schon lange nicht mehr Bad, sondern nur noch Penizillinfabrik. Über der Badewanne war ein uralter Duschkopf angebracht.
    «Ihr geht alle anschaffen, stimmt’s?» fragte Norman.
    «Manchmal», sagte sie. «Wenn’s die einzige Möglichkeit ist, die Katzen zu füttern.»
    Norman folgte Janet zurück ins Wohnzimmer. Dort waren drei Katzen, und jede nahm einen Sessel in Beschlag.
    «Das sind Tabitha, Venus und Orchid», sagte Janet. Die Katzen fixierten Norman, blieben aber sitzen. Norman erwiderte ihren Blick. Orchid, die letzte Katze, die Janet vorgestellt hatte, erhob sich träge und kam zu Norman herübergeschlichen. Sie war schwarz. Sie rieb sich an seinem Bein. Er schob sie fort, doch sie kehrte sofort zurück. Er warf einen kurzen Blick auf das Poster eines Popstars oder männlichen Pinups über dem Kamin und wußte, daß er eigentlich wissen müßte, wer das war, kam aber nicht direkt drauf. Dann war es blitzartig da. «John Lennon», sagte er.
    Janet lächelte. «Ja», sagte sie. «Imagine.»
    Norman sah sie an, dachte irgendwie, sie hätte einen Satz angefangen und dann plötzlich aufgehört. Aber da kam nichts mehr. « Imagine ? Was soll ich mir vorstellen?»
    «John Lennon», sagte sie. «Er ist tot. Er wurde ermordet.»
    «Weiß ich», sagte Norman. «So ein Typ hat ihn abgeknallt. Gerade war er noch voll da, und im nächsten Augenblick spuckt er nur noch