Voll erwischt
kein weiteres Wort mehr verlieren. Ich meine, ist ja wohl wirklich nicht schwer zu verstehen, nicht mal für ein Spatzenhirn wie dich. Hab ich recht? Verstehst du das?»
«Ja, Norman.»
«Gut. Und die zweite Sache, die ich dir hier versuche klarzumachen, ist die, daß die Menschen damals nicht besonders lange gelebt haben, also zum Beispiel, wenn die dreißig wurden, wenn die dreißig Jahre alt waren, dann waren sie bereits zahnlose alte Schrullen, alte Schabracken. Mein Gott, Janet, hier liefen Säbelzahntiger rum und riesige Mammuts, besonders hier oben im Norden. Denk doch nur mal an die Stadtmauern, hier, um unser York. Weißt du auch, warum sie diese Mauern einmal ganz rund um die Stadt gebaut haben? Warum sie die überhaupt gebaut haben, und warum sie die so dick gebaut haben? Nein? Tja, ich werd’s dir verraten, falls du auf etwas Bildung Wert legst. Die waren dazu da, die beschissen wilden Tiere draußen zu halten, damit die Leute nicht mehr bei lebendigem Leib aufgefressen wurden. Denn genau das ist damals abgegangen, die Menschen wurden bei lebendigem Leib aufgefressen, sowohl innerlich wie äußerlich. Innerlich aufgefressen wurden sie wegen schlechter Ernährung (mal abgesehen vom Bier), was im übrigen auch wieder der Grund ist, warum sie womöglich nur eine halbe Nase hatten oder blind wurden, all die Furunkel und Warzen und so ’ne Scheiße bekamen. Und äußerlich wurden sie von wilden Tieren aufgefressen, von Wölfen, von allem Gezücht, das nachts auf Streifzug war. Es gab auch Wildkatzen, eine ganze Menge sogar. Die haben mit Vorliebe die kleinen Kinder aufgefressen. Und auch tagsüber. Massenhaft Leute wurden tagsüber erlegt.
Und wenn die kein Bier tranken, dann wurden sie überhaupt nicht alt. So mit fünfzehn, sechzehn waren die dann wahrscheinlich schon tot.» Norman erhob sich vom Stuhl und ging um den Tisch zu Janet. Er baute sich vor ihr auf und klopfte mit den Knöcheln gegen ihre Stirn. «Hallo? Irgendwer zu Hause?» fragte er. «Verstehst du, was ich hier sage?»
Janet deutete ein Lächeln an. «Ich hab kein Bier», sagte sie. «Wenn du Bier willst, wirst du dir schon welches holen müssen.»
Kapitel 21
Vor ein paar Tagen hatte Sam morgens als allererstes unter der Dusche gewichst. Heute war es anders. An dem Tag, als er sich einen runtergeholt hatte, rechnete er sich gerade aus, daß es fast sieben Monate her war, seit er das letzte Mal mit einer Frau zusammengewesen war, und es war diese Erinnerung, die zu dem geführt hatte, was man in seiner Jugend Selbstbefleckung genannt hatte. Heute war es über sieben Monate her, seit er das letzte Mal mit einer Frau zusammengewesen war, aber so wie sich die Dinge mit Jennie entwickelten, würde es vielleicht nicht mehr lange dauern, bis die Abstinenz ein jähes Ende nahm. Der Gedanke zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.
An dem Tag, als er sich in der Dusche einen runtergeholt hatte, war er so ziemlich mit dem gleichen Gefühl aufgewacht wie heute, aber da hatte er sich unter eine warme Dusche gestellt und die Sache hinter sich gebracht. Jetzt war er älter und hatte gelernt, daß Reife in der Fähigkeit besteht, das Bedürfnis nach Befriedigung aufzuschieben. Heute stellte er sich unter eine kalte Dusche. Kälter als ’ne Hexentitte, dachte er, als er umgehend wieder heraussprang. Er stellte das Wasser auf lauwarm und trat wieder in den Regen. Okay, es hatte mal eine Zeit gegeben, da hätte er die eiskalte Dusche ausgehalten. Konnte es selbst heute noch, wenn’s denn unbedingt sein mußte. Biß einfach die Zähne zusammen und stand eisern da. Alles, was er tun mußte, konnte er auch tun.
«Unter der Dusche?» hatte Gus gesagt. «Bißchen primitiv, findest du nicht?»
Ein merklicher Unterschied, sinnierte Sam damals, zu der Reaktion, die eine solche Offenbarung den Mitgliedern seiner Männergruppe entlockt hätte. In der Männergruppe galt Selbstbefriedigung als Norm. Ein natürliches Ventil. Manche Mitglieder hielten sie sogar fast für eine Kunstform.
«Primitiv», hatte Sam zu Gus gesagt. «Nicht so primitiv, als hätte ich’s in der Badewanne gemacht? Ich meine, gibt es Umstände, unter denen es mehr oder weniger primitiv wäre? Komm schon, Gus. Sag was!»
Doch inzwischen wollte Gus sich über das Thema nur noch lustig machen. Gus’ großes Problem war, daß er seine Erektion überallhin legte: in, auf oder neben eine Frau. Es schien überhaupt keine Rolle zu spielen, ob die Frau groß oder klein war, dünn oder
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