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Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder

Titel: Vollbeschaeftigt - das neue deutsche Jobwunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Paqué
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für den Fall, dass ein einschlägiger Tarifvertrag vorliegt. Es folgten ab 2004 eine grundsätzliche Regelung mit dem Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz I“) sowie diverse Tarifabschlüsse verschiedener Verbände von Zeitarbeitsunternehmen mit den Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbunds. 45 Diese Abschlüsse sind typischerweise so ausgestaltet, dass sie den Zeitarbeitern niedrigere Löhne zubilligen als der Stammbelegschaft der Entleiher. Damit durchbrechen sie, was per Tarifabschluss möglich ist, das sogenannte „Equal-Treatment-Equal-Pay-Prinzip“ des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes von 2004, das ansonsten grundsätzlich eine Gleichbehandlung zwischen Zeitarbeitern und Stammbelegschaft vorsieht.
    Auch von der liberalisierten Arbeitnehmerüberlassung haben die Unternehmen in Deutschland breiten Gebrauch gemacht. Seit dem Jahr 2000 liegt die Zahl der Zeitarbeiter über 300.000. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts stieg sie bis auf fast 800.000 zur Mitte des Jahres 2008 an. Sie erreichte damit im letzten konjunkturellen Hoch 2,2 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Bei den neu entstandenen Arbeitsplätzen – zwischen 2005 und 2008 insgesamt 1,3 Millionen – entfiel sogar bereits ein Viertel auf die Zeitarbeit, die aber auch in der darauffolgenden scharfen Rezession entsprechend stark zurückging. Sie lieferte in der Krise 2009 einen zusätzlichen „Puffer“, den die Unternehmen neben der Kurzarbeit nutzten, um ihre Stammbelegschaft vor Entlassungen zu schonen. 46
    Kommen wir schließlich zum Flächentarifvertrag. Es ist jener Bereich der Arbeitsmarktordnung, in dem es in der Zeit der hohen Arbeitslosigkeit die tiefgreifendsten Veränderungen gab. Es waren allerdings nicht Reformen des Rechtsrahmens, die dabei ins Gewicht fielen, sondern einfach die Wirklichkeit des Marktes. Dabei ging die akademische Debatte den Veränderungen deutlich voraus. So gab es bereits im Westdeutschland der 1980er-Jahre eine intensive öffentliche Diskussion darüber, ob der starre Flächentarifvertrag in seiner traditionellen Form noch zeitgemäß sei. Strukturwandel und Arbeitslosigkeit trafen Regionen in ganz unterschiedlichem Maße. Es bildete sich jenes Nord-Süd-Gefälle heraus, das seither in Westdeutschland zu einem etablierten Muster gehört: Der ländliche Norden und das hoch industrialisierte, aber von der Strukturkrise hart getroffene Nordrhein-Westfalen litten unter hoher Arbeitslosigkeit; der Süden der Republik, vor allem das innovationsstarke Baden-Württemberg und der industrielle Aufsteiger Bayern, insbesondere sein südbayerischer Großraum München, kamen weit glimpflicher davon. Vorbei war die Tendenz zur „natürlichen Konvergenz“, wie sie zur Zeit der deutschlandweit niedrigen Arbeitslosigkeit geherrscht hatte. Was lag da näher als die Forderung, die industrielle Regeneration der strukturschwachen Gebiete im Standortwettbewerb durch niedrigere Lohnkosten zu unterstützen und damit die Regionen für Investitionen attraktiv zu machen? Dies war nur möglich mit einer Lockerung des Flächentarifkorsetts, und eben dies wurde zu einer weitverbreiteten Forderung.
    Bei den Tarifparteien stieß die Forderung nicht auf Gegenliebe. Bis auf kleine, eher kosmetische Korrekturen, die betriebliche Vereinbarungen in schweren Strukturkrisen erleichtern sollten, tat sich an Flexibilisierung zunächst wenig. Stattdessen versuchten die Gewerkschaften, aus der Not ihrer geschwächten Verhandlungsposition beim Durchsetzen höherer Löhne eine Tugend zu machen. Unter der Führung der mächtigen IG Metall definierten sie eine Art „Ausweichziel“: die 35-Stunden-Woche. Sie erinnerten sich der großen Popularität, die sie in den späten 1950er-Jahren mit der Kampagne für die Fünf-Tage-Woche gewonnen hatten. Mit dem Slogan „Am Samstag gehört der Papi mir!“ war es ihnen damals gelungen, erstmalig im Wirtschaftswunderland breite Sympathien in der Bevölkerung zu gewinnen. In der Tat erwies sich die Kampagne für die 35-Stunden-Woche als ein wirksames Instrument, um in der schwierigen Nachrezessionszeit 1983/84 wieder mit einem großen nationalen Ziel der Arbeitnehmer in aller Munde zu sein. Und als schließlich nach einem harten Arbeitskampf das Ziel wirklich erreicht wurde – allerdings erkauft mit Zugeständnissen bei den Lohnforderungen –, stand die Gewerkschaftsbewegung unter der Führung des IG-Metall-Chefs Franz Steinkühler als machtvolle Kraft durchaus wieder im Rampenlicht

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