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Vollendet (German Edition)

Vollendet (German Edition)

Titel: Vollendet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Shusterman
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Akkorde des Vorkriegsklassikers Don’t Fear the Reaper .
    Die anderen stimmen ein, sie können es auswendig. Risa zwingt sich, den Blick vom roten Teppich abzuwenden.

56. Connor
    Die Schlafsäle sind in Stationen unterteilt. Auf jeder Station schlafen dreißig Jungen – dreißig Betten in einem langen schmalen Raum mit großen bruchsicheren Fenstern, die das freundliche Tageslicht hereinlassen. Als sich Connor zum Abendessen fertig macht, fällt ihm auf, dass zwei Betten abgezogen und die Jungs, die darin geschlafen haben, nirgendwo zu sehen sind. Jeder hat es bemerkt, aber keiner spricht darüber, bis auf einen, der eins der Betten übernimmt, weil die Federn seiner Matratze kaputt sind.
    »Soll doch ein Neuer die kaputte nehmen«, sagt er. »Ich will es in meiner letzten Woche bequem haben.«
    Dass sich Connor weder an die Namen noch an die Gesichter der verschwundenen Jungen erinnern kann, macht ihm zu schaffen. Auch die Ereignisse des Tages lasten schwer auf ihm. Vor allem bedrückt ihn die Überzeugung der anderen, er könnte sie irgendwie retten – dabei kann er doch nicht einmal sich selbst retten. Das Personal wartet nur darauf, dass er einen Fehler macht. Einzig die Gewissheit, dass Risa vorerst in Sicherheit ist, beruhigt ihn etwas.
    Nach dem Mittagessen hat er sich die Band angesehen. Er hatte Risa überall gesucht, dabei saß sie die ganze Zeit vor seiner Nase und spielte sich die Seele aus dem Leib. Sie hatte ihm erzählt, dass sie Klavier spielt, aber er hat nie einen weiteren Gedanken daran verschwendet. Sie spielt einfach fantastisch, und er wünschte, er hätte sich mehr Zeit genommen, etwas über ihr früheres Leben zu erfahren. Als sie ihn heute Nachmittag da hat stehen sehen, hat sie gelächelt – das tut sie selten. Aber das Lächeln wich rasch einem Blick, in dem sich die Realität niederschlug: Sie war da oben und er hier unten.
    Connor hängt seinen Gedanken nach, bis er plötzlich feststellt, dass alle anderen schon zum Abendessen gegangen sind. Als er aufsteht, um sich ebenfalls auf den Weg zu machen, sieht er jemanden in der Tür. Roland.
    »Du dürftest gar nicht hier sein«, sagt Connor.
    »Da hast du völlig recht. Und trotzdem bin ich hier – dank dir!«
    »Das meine ich nicht. Wenn du außerhalb deiner Station erwischt wirst, verstößt du gegen die Regeln. Dann wandeln sie dich früher um.«
    »Nett, dass du dir Sorgen machst.«
    Connor will zur Tür, doch Roland versperrt ihm den Weg. Roland ist zwar kräftiger als er, aber sie sind etwa gleich groß. Connor dachte immer, Roland überrage ihn um einiges. Tut er nicht.
    »Wenn du was Bestimmtes willst, spuck’s aus. Wenn nicht, lass mich durch, damit ich zum Essen kann.«
    Rolands Gesicht ist so giftig, dass er damit eine gesamte Station umbringen könnte. »Ich hätte dich ein Dutzend Mal umbringen können. Ich hätte es einfach tun sollen, dann wären wir nicht hier.«
    »Du hast uns im Krankenhaus verpfiffen«, ruft ihm Connor in Erinnerung. »Deshalb sind wir hier. Wir könnten alle längst wieder auf dem Friedhof und in Sicherheit sein.«
    »Was für ein Friedhof? Von dem ist doch nichts mehr übrig. Du hast mich in den Container gesperrt, du bist schuld, dass die alles zerstört haben! Ich hätte sie aufhalten können, aber wegen dir hatte ich keine Chance!«
    »Du hättest den Admiral doch am liebsten selber umgebracht. Zum Teufel, du hättest auch die Champs umgebracht, wenn sie nicht schon tot gewesen wären! Genau so einer bist du!«
    Roland wird plötzlich sehr still, und Connor weiß, er ist zu weit gegangen.
    »Wenn ich ein Mörder sein soll, dann rennt mir langsam die Zeit davon. Also erledige ich es besser sofort.« Mit diesen Worten beginnt er, auf Connor einzuschlagen. Der verteidigt sich erst nur, doch dann kommt er in Fahrt, spürt all die aufgestaute Wut der letzten Wochen und Monate hervorbrechen, und geht hemmungslos zum Angriff über.
    Es ist der Kampf, den sie in der Lagerhalle nie ausgetragen haben – der, den Roland wollte, als er Risa in der Toilette bedrängte. Beide schlagen mit der geballten Wut auf die Welt zu. Sie schleudern einander gegen Wände und Bettgestelle und prügeln unbarmherzig aufeinander ein. Connor weiß, dass es ein Kampf wie keiner zuvor ist.
    Roland hat keine Waffe, braucht aber auch keine. Er ist seine eigene Waffe.
    So gut Connor auch kämpft, Roland ist einfach stärker. Als seine Kräfte nachlassen, packt ihn Roland an der Kehle und drückt ihm die Luft ab. Connor wehrt

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