Vollendet (German Edition)
Aktivitäten in der Gegend, von denen die Autofahrer abgelenkt wurden.«
Alle drei sind überrascht. Connor spürt eine gewisse Erleichterung – als wäre er gerade noch einmal davongekommen.
»Das kann nicht sein«, sagt Lev. »Ich bin entführt worden oder … zumindest denken sie das. Das muss doch in der Zeitung stehen.«
»Lev hat recht«, meint Risa. »In der Zeitung wird dauernd von Unfällen mit Wandlern berichtet. Wenn über uns da nichts steht, dann hat das einen Grund.«
Connor kann es nicht fassen. Anstatt sich zu freuen, müssen die beiden unbedingt nach dem Haken an der Sache suchen! Ganz langsam, als würde er mit geistig Minderbemittelten sprechen, sagt er: »Kein Zeitungsbericht bedeutet keine Fotos – und das bedeutet, die Leute erkennen uns nicht. Warum soll das ein Problem sein?«
Risa verschränkt die Arme. »Warum sind da keine Fotos abgedruckt?«
»Keine Ahnung, vielleicht soll die Öffentlichkeit nicht erfahren, was alles schiefgelaufen ist.«
Risa schüttelt den Kopf. »Das kommt mir komisch vor …«
»Ist doch egal, wie es dir vorkommt!«
»Nicht so laut!«, zischt Risa zornig. Connor bemüht sich, seine Wut im Zaum und seinen Mund zu halten, damit er nicht wieder herumbrüllt und die Leute auf sie aufmerksam macht. Risa denkt angestrengt nach, während Lev von einem zum anderen schaut.
Risa ist nicht dumm, denkt Connor. Sie wird schon noch einsehen, dass es gut ist so und sie sich umsonst Sorgen macht.
Aber stattdessen sagt sie langsam: »Wenn wir in den Nachrichten einfach nicht auftauchen, weiß niemand, dass wir noch leben. Versteht ihr: Wenn die Fahndung nach uns überall in den Nachrichten kommt, dann müssen sie uns mit Betäubungsgeschossen kampfunfähig machen und ins Ernte-Camp bringen, nicht wahr?«
»Ja, und?« Connor hat keine Ahnung, worauf sie hinauswill.
»Was ist, wenn sie uns gar nicht finden und umwandeln wollen? Was, wenn sie uns töten wollen?«
Connor macht den Mund auf, um ihr zu sagen, wie dumm dieser Gedanke ist, aber er gibt keinen Ton von sich. Denn der Gedanke ist kein bisschen dumm.
»Lev«, fährt Risa fort, »deine Familie ist ziemlich reich, oder?«
Lev zuckt bescheiden mit den Schultern. »Glaub schon.«
»Und wenn sie die Polizei dafür bezahlt hat, dass sie dich findet und die Entführer tötet … und dass alles heimlich geschieht, damit niemand davon erfährt?«
Connor schaut Lev an und hofft, der Junge würde über diese Vermutung lachen und ihnen sagen, dass seine Eltern so etwas Schreckliches niemals tun würden. Doch Lev bleibt stumm, während er über diese Möglichkeit nachdenkt.
In diesem Augenblick passieren zwei Dinge: Ein Polizeiwagen biegt in die Straße ein, und irgendwo ganz in der Nähe schreit ein Baby.
Lauf!
Das ist Connors erster Gedanke, sein erster Impuls, aber Risa packt ihn fest am Arm, und er zögert. Zögern kann tödlich sein, das weiß Connor. Aber nicht heute. Heute hat er dadurch genug Zeit, etwas zu tun, was er in solchen Situationen sonst selten tut: einen zweiten Gedanken zu denken:
Weglaufen erregt Aufmerksamkeit.
Er zwingt seine Füße, an Ort und Stelle stehen zu bleiben, und nimmt sich einen Moment Zeit, um einen prüfenden Blick in die Runde zu werfen. In den Garageneinfahrten werden Autos angelassen, denn die Menschen müssen zur Arbeit. Irgendwo schreit ein Baby. An der Straßenecke gegenüber steht ein Pulk Schüler. Sie reden, schubsen sich und lachen. Als er Risa anschaut, weiß er, dass sie dasselbe denkt, noch bevor sie es ausspricht: »Eine Bushaltestelle.«
Der Streifenwagen rollt gemächlich die Straße hinunter. So muss es zumindest für jemanden aussehen, der nichts zu verbergen hat. Connor empfindet das langsame Tempo als bedrohlich. Nichts lässt erkennen, ob die Beamten sie suchen oder ob das einfach eine Routinepatrouille ist. Noch einmal kämpft er den Impuls wegzurennen nieder.
Er und Risa wenden dem Polizeiwagen den Rücken zu und machen sich unauffällig auf den Weg zur Bushaltestelle, aber Lev ist nicht mit von der Partie. Er schaut in die falsche Richtung, direkt in den nahenden Polizeiwagen hinein.
»Spinnst du?« Connor packt ihn an der Schulter und zieht ihn mit sich. »Mach einfach dasselbe wie wir und verhalte dich normal.«
Aus der anderen Richtung kommt ein Bus. Die Kids an der Ecke suchen ihre Sachen zusammen. Jetzt endlich dürfen sie rennen, ohne aufzufallen. Connor startet als Erster, rennt ein paar Schritte von Risa und Lev weg, dreht sich dann um und
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