Vollendet (German Edition)
Augen sieht.
»Ich sagte, sieh mich an!«
Widerstrebend hebt Connor den Blick.
»Ich halte dich für einen schlauen Jungen. Ich möchte, dass du jetzt mal nachdenkst. Denk nach! Ich bin ein hochdekorierter Admiral der US-Marine. Glaubst du, ich muss für Geld Kinder verkaufen?«
»Ich weiß es nicht.«
» Denk nach! Mache ich mir etwas aus Geld und Luxus? Ich lebe nicht in einer Villa. Ich mache keinen Urlaub auf einer tropischen Insel, sondern hocke hier in der Wüste und wohne 365 Tage im Jahr in einem verrottenden Flugzeug. Warum, glaubst du, tue ich das?«
»Ich weiß es nicht!«
»Doch, ich glaube, das tust du.«
Connor steht auf. Trotz des Tons, den der Admiral angeschlagen hat, hat er immer weniger Angst vor ihm. Egal, ob es nun klug ist oder dämlich – Connor beschließt, dem Admiral zu geben, was er hören will. »Sie tun es wegen der Macht. Sie tun es, weil Sie Hunderte hilfloser Kinder in der Hand haben. Und Sie tun es, weil Sie sich aussuchen können, wer umgewandelt wird – und welche Teile Sie selbst bekommen.«
Das trifft den Admiral unvorbereitet. Plötzlich ist er in der Defensive. »Was sagst du da?«
»Das ist doch offensichtlich! Die vielen Narben. Und dann diese Zähne! Das sind nicht die Zähne, mit denen Sie geboren wurden, oder? Also, was wollen Sie von mir? Sind es meine Augen oder meine Ohren? Oder vielleicht meine Hände, die so gut Sachen reparieren? Bin ich deshalb hier?«
Die Stimme des Admirals senkt sich zu einem raubtierhaften Knurren. »Du bist zu weit gegangen.«
»Nein, Sie sind zu weit gegangen.« Die Wut in den Augen des Admirals müsste Connor einschüchtern, aber sein Pulverfass explodiert. »Wir kommen zu Ihnen, weil wir verzweifelt sind! Was Sie mit uns machen, ist … ist … obszön!«
»Also bin ich ein Monster!«
»Ja!«
»Und meine Zähne sind der Beweis!«
»Ja!«
»Dann nimm du sie doch!«
Und mit diesen Worten tut der Admiral etwas Unglaubliches. Er fasst sich in den Mund, zieht an seinem Kiefer und reißt sich die Zähne heraus. Seine Augen funkeln Connor an, als er den harten rosa Klumpen auf den Tisch wirft, wo er in zwei gruselige Einzelteile zerspringt.
Connor schreit entsetzt auf. Es ist alles da. Zwei Reihen weißer Zähne. Zwei rosa Gaumen. Aber kein Blut. Warum ist da kein Blut? Auch im Mund des Admirals ist kein Blut. Sein Gesicht wirkt eingefallen, und sein Mund ist nur noch ein schwarzes, runzliges Loch. Connor weiß nicht, was schlimmer ist: das Gesicht des Admirals oder die blutlosen Zähne.
»Das nennt man Prothese«, sagt der Admiral undeutlich. »Vor der Umwandlung war so etwas üblich. Aber wer will schon falsche Zähne haben, wenn man zum halben Preis von einem gesunden Wandler echte bekommt? Ich habe sie in Thailand anfertigen lassen – hier macht so etwas keiner mehr.«
»Ich … ich verstehe nicht …« Connor betrachtet die falschen Zähne und dreht sich dann unwillkürlich zu dem Bild mit dem lächelnden Jungen.
Der Admiral folgt seinem Blick. »Das war mein Sohn. Seine Zähne sahen ähnlich aus wie meine, als ich in seinem Alter war, deshalb wurden für die Herstellung meines Zahnersatzes seine als Vorlage verwendet.«
Connor ist unendlich erleichtert, dass es eine andere Erklärung gibt als Rolands. »Es tut mir leid.«
Er betrachtet die schimmernde Zahnprothese, die noch immer auf dem Tisch liegt. Er überlegt sich, ob er sie nehmen und dem Admiral als eine Art Friedensangebot zurückgeben soll, kann sich aber nicht dazu überwinden. Er überlässt es lieber dem Admiral, sie wieder an sich zu nehmen und einzusetzen.
Der Admiral geht nicht auf Connors Entschuldigung ein. »Mit dem Geld, das ich für die Vermittlung der Wandler bekomme, werden die übrigen ernährt und die Geheimverstecke und Lagerhäuser bezahlt, damit die Wandler von der Straße kommen. Damit wird das Flugzeug bezahlt, das sie herbringt, und die Leute bestochen, wegzusehen. Das Geld, das dann noch übrig ist, geht in die Taschen der Wandler, die achtzehn werden und in die grausame Welt hinausgeschickt werden. Nach deiner Definition bin ich vielleicht tatsächlich ein Sklavenhändler – aber ich bin nicht das Monster, für das du mich hältst.« Nach einer kleinen Pause fügt er hinzu: »Glaubst du mir?«
Connor überlegt hin und her, doch sein Kompass läuft aus dem Ruder. Wahrheit und Lüge, Tatsachen und Gerüchte wirbeln wild in seinem Kopf durcheinander und lassen sich nicht mehr sauber trennen. »Ich denke schon.«
»Du musst dir
Weitere Kostenlose Bücher