Vollendet (German Edition)
Jemanden, der mich auf dem Laufenden hält, was unter den Wandlern so abläuft. Und jemanden, der den Wolf in der Schafherde aufstöbert. Ich bitte dich darum, das für mich zu tun.«
»Ich soll für Sie spionieren?«
»Auf welcher Seite stehst du? Auf meiner oder auf der Seite desjenigen, der das getan hat?«
Connor leuchtet ein, warum der Admiral ihn in den Flieger geschickt hat. Es ist eine Sache, wenn man so etwas erzählt bekommt, aber eine völlig andere, wenn man die Leichen selber sieht. Es führt Connor mit aller Brutalität vor Augen, wem er Loyalität schuldet.
»Warum ich?«, fragt er.
Der Admiral lächelt ihn mit seinem blendend weißen Zahnersatz an. »Weil du, mein Freund, das geringste aller Übel bist.«
Am nächsten Morgen gibt der Admiral bekannt, er habe die Champs losgeschickt, neue Geheimverstecke zu finden. Connor beobachtet, ob Roland darauf reagiert, vielleicht mit einem Grinsen oder einem Seitenblick zu einem seiner Kumpel. Doch da ist nichts. Roland verrät mit keiner Geste, dass er weiß, was wirklich mit den Jugendlichen geschehen ist. Während der morgendlichen Verlautbarungen wirkt er geradezu desinteressiert, abgelenkt, als könnte er es nicht erwarten, endlich an die Arbeit zu gehen. Und dafür gibt es einen guten Grund: Rolands Ausbildung bei Cleaver, dem Hubschrauberpiloten, macht Fortschritte. In den vergangenen Wochen hat er gelernt, den Hubschrauber zu fliegen wie ein Profi, und wenn Cleaver nicht in der Nähe ist, spendiert er Kids, die es seiner Ansicht nach verdienen, einen Freiflug. Cleaver sei es egal, behauptet Roland, aber wahrscheinlicher ist, dass der Pilot von diesen Spritztouren nichts weiß.
Allerdings nimmt Roland nicht, wie von Connor zunächst vermutet, seinen engeren Zirkel von Anhängern mit in die Luft. Vielmehr belohnt Roland gute Arbeit, auch dann, wenn er die Kids gar nicht kennt – er lässt andere auswählen, wer im Hubschrauber über das Gelände fliegen darf. Kurz: Roland verhält sich, als hätte er das Sagen und nicht der Admiral.
Wenn dieser anwesend ist, gibt Roland sich unterwürfig, doch sobald sich andere um ihn sammeln – und es sammeln sich immer Kids um Roland –, lässt er keine Gelegenheit aus, den Mann niederzumachen. »Der Admiral hat keine Ahnung. Der weiß doch nicht, wie es für uns ist, der hat keinen Schimmer von uns.« Und den Kids, die er bereits für sich gewonnen hat, flüstert er seine Theorien zum Gebiss des Admirals ein, zu seinen Narben und den teuflischen Plänen, die er angeblich geschmiedet hat. Roland verbreitet Angst und Misstrauen, um damit möglichst noch mehr Jugendliche um sich zu scharen.
Connor muss sich auf die Lippen beißen, um nichts zu sagen, wenn er Roland stänkern hört. Aber wenn er den Admiral verteidigen würde, wüsste Roland gleich, auf welcher Seite er steht.
Auf dem Friedhof gibt es einen Freizeitflieger, in der Nähe des Versammlungsdaches. Er ist mit einem Fernseher und Unterhaltungselektronik ausgestattet, und unter den Tragflächen stehen Billardtische, ein Flipper und einigermaßen bequeme Sessel. Connor hat sich freiwillig gemeldet, um unter den Tragflächen einen Luftbefeuchter zu installieren, damit es in der größten Mittagshitze zumindest ein wenig erträglicher wird. Vor allem aber möchte Connor durch das Projekt zur Fliege an der Wand werden, Gespräche belauschen, Cliquen erkennen – kurz, ein wenig Spionage betreiben. Leider ist Connor von Natur aus nie die Fliege an der Wand. Auch diesmal steht er bald im Mittelpunkt. Die Kids bieten ihm ihre Hilfe an, fast wie bei Tom Sawyer, der den Zaun seiner Tante Polly streichen muss. Für sie ist Connor eine Art Anführer, jemand, den man nicht einfach ignorieren kann, egal, wie sehr er sich das wünscht. Dabei hat Connor nie jemandem erzählt, dass er der sogenannte »Flüchtling aus Akron« ist. Den derzeitigen Gerüchten zufolge hat es der Ausreißer mit einer ganzen Legion von JuPos aufgenommen, hat die Nationalgarde ausgetrickst und ein halbes Dutzend Ernte-Camps befreit. Connor flößt den anderen Kids auch so genug Respekt ein – damit will er nicht auch noch in Verbindung gebracht werden.
Roland, der Billard spielt, lässt Connor nicht aus den Augen, während er den Luftbefeuchter anschließt. Schließlich legt Roland den Billardqueue zur Seite und gesellt sich zu ihm.
»Du bist so ein richtig fleißiges Bienchen, was?« Roland spricht so laut, dass alle anderen es hören.
Connor steht auf einer Leiter und
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