Vollendung - Thriller
lassen, wenn er bei ihr gewesen wäre, um sie aufzufangen, statt wie hypnotisiert vor Steve Rogers’ grauenhaftem DV D -Tod zu sitzen. Aber schlimmer als der Sturz war für Cathy der Moment gewesen, als Markham sie wiederbelebt hatte – erst der Schock, dann die hysterische Reaktion, die folgte, als ihr Verstand zu fassen versuchte, was sie gerade gesehen hatte.
» Mutter!« , hatte sie im Krankenwagen geschrien. » Du hattest recht, Mutter! Du hast versucht, mich zu warnen, aber ich wollte nicht hören. Es tut mir leid, Steven!«
Die Sanitäter hatten Cathy festschnallen müssen und ihr noch auf der Fahrt zum Krankenhaus ein Beruhigungsmittel verabreicht. Und während Markham ihre Hand hielt und sie langsam ruhiger wurde, flüsterte sie ihm zu, was er bereits wusste.
»Die Pietà, Sam. Die Brüste. Er hat Steve für den Körper seiner Pietà benutzt.«
Nach seiner Lektüre von Die im Stein schlafen wusste Sam Markham alles über die Römische Pietà – er wusste, dass Michelangelo die Jungfrau Maria genialerweise zu groß im Verhältnis zu Jesus geformt hatte, um die optisch korrekte Beziehung zwischen den beiden Figuren herzustellen. Er wusste auch, dass die echte Pietà immer noch im Petersdom im Vatikan stand, und ließ Sullivan deshalb Polizeikräfte mobilisieren, die vor jeder Kirche namens St. Peter in Rhode Island, dem südlichen Massachusetts und dem nördlichen Connecticut aufziehen sollten. Aber tief in seinem Innern wusste Markham, es würde nicht so leicht sein – der Michelangelo-Mörder würde sich nicht einfach so von Dr. Hildebrant und dem FBI in die Karten schauen lassen.
Vielleicht versuchte er sogar, sie vom richtigen Weg abzubringen.
Nichtsdestoweniger hatte Special Agent Sam Markham die gute Idee gehabt, bevor er zu Cathy in den Krankenwagen stieg, sein Exemplar von Die im Stein schlafen aus dem Auto zu holen. Er hatte verzweifelt über den Kapiteln über die Römische Pietà gebrütet, während Cathy schlief – und so erfahren, dass die Figur ursprünglich als Grabstein von dem französischen Kardinal Jean de Billheres in Auftrag gegeben worden war. Ihr erstes Zuhause war die Kapelle St. Petronilla gewesen, ein romanisches Mausoleum im südlichen Querschiff des Petersdoms, die sich der Kardinal als Begräbniskapelle ausgesucht hatte. Dort hatte sie nur kurze Zeit gestanden, bis die Kapelle abgerissen wurde. Die Pietà hatte anschließend verschiedene Stellen im Petersdom besetzt, bis sie schließlich im 18. Jahrhundert an ihrem jetzigen Standort in der ersten Kapelle auf der rechten Seite des Doms zur Ruhe kam. Markham übermittelte Sullivan alle diese Informationen, aber deren anschließende Internetrecherche führte zu keinem Ergebnis. Sie konnte keines dieser Details – St. Peter, St. Petronilla, Begräbniskapellen, Kardinal Billheres … – plausibel mit einem bestimmten Ort in Rhode Island verknüpfen, mit keinem in ganz Neuengland.
Sam Markham fühlte sich hilflos. Es kam ihm vor, als könnte er die Zukunft unaufhaltsam auf sich zurollen sehen – hatte die bevorstehende Pietà des Michelangelo-Mörders sehr deutlich vor Augen: eine schauerliche Skulptur mit Kopf, Händen und Brüsten einer Frau, die à la Frankenstein an Steve Rogers’ Körper genäht waren. Aufgrund seiner Recherchen über den Plastinationsprozess wusste Markham rein verstandesmäßig, dass der Täter – selbst wenn er seine Maria und seinen Jesus schon vor langer Zeit ermordet hatte – nicht annähernd genügend Zeit gehabt hatte, um Rogers’ Leiche zu konservieren. Sein Bauch allerdings – die Institution, der die besten »Profiler« trotz gegenteiliger Fakten zu folgen lernen – sagte ihm etwas anderes.
Ja, Markhams Bauchgefühl verriet ihm, dass er nicht nur etwas Wesentliches übersah, sondern dass ihm außerdem die Zeit davonlief.
Er brauchte Cathy – sie musste aufwachen und sich ruhig mit ihm unterhalten.
Ein Agent des FB I -Büros in Providence steckte den Kopf zur Tür herein. »Burrell ist unterwegs«, sagte er, und Markham nickte. Vor der Tür standen zwei Agenten des hiesigen Büros, und Markham wusste, Burrell würde die Schutzhaft für Cathy durch das FBI persönlich regeln. Das war gut; es war viel besser als die bisherige Überwachung – von deren Ausmaßen Cathy keine Ahnung gehabt hatte. Ja, obwohl Cathy seit nunmehr fast einem Monat auf Schritt und Tritt überwacht wurde, obwohl sie mit einiger Sicherheit zu keinem Zeitpunkt in echter Gefahr gewesen war,
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