Vollmeisen
so einfach stehen lassen!
»So«, meldete sich der eine Polizist wieder zu Wort, »Ihrem Zuhälter ist das Pflaster wohl zu heià geworden. Je eher Sie lernen, dass man sich auf diese Männer nicht verlassen kann, umso besser für Sie. Und jetzt begleiten Sie uns bitte auf die Wache.«
Heulend saà ich auf dem Rücksitz und fragte mich zum hundertsten Mal, wie aus meinem geordneten Leben so ein Chaos werden konnte. Bevor ich darauf eine Antwort finden konnte, waren wir schon an einer Polizeiwache angekommen, und die beiden schoben mich rein. »Name Alice Wörthing, aufgegriffen im Gewerbegebiet, als sie sich uns angeboten hat. Ãbernehmt ihr, wir müssen wieder los«, hörte ich sie noch sagen, als ich schon in eine miefige Kammer gebracht wurde. Das war bestimmt ein Verhörzimmer, und diesmal konnte meine Mutter mir ganz bestimmt nicht helfen. Ich überlegte fieberhaft â hatte ich nicht das Recht auf einen Anwalt? Das war wohl so, bloÃ, der einzige Anwalt, den ich kannte, war der verknöcherte Dr. Meisel, der für meinen Vater säumige Kunden mahnte. Aber ich hatte auf alle Fälle das Recht auf einen Anruf, da war ich mir ganz sicher. Als eine Beamtin hereinkam und sich mir gegenübersetzte, lieà ich sie gar nicht erst zu Wort kommen: »Hören Sie, ich kenne meine Rechte.« Verdammt, das hörte sich ja an, als ob ich nicht zum ersten Mal wegen Prostitution festgenommen worden wäre. »Nein, vergessen Sie das, ich kenne meine Rechte natürlich nicht, aber das sagen sie immer in Filmen. Jedenfalls, ich darf einen Anruf machen, oder? Vorher sag ich nämlich gar nichts.«
Die Beamtin seufzte. »Das ist richtig, Sie dürfen jemanden anrufen, aber ist das wirklich nötig? Der Sachverhalt ist doch wohl eindeutig.«
»O nein, das ist er gar nicht. Ich will jetzt telefonieren.«
Tatsächlich schob sie mir das Telefon rüber. Lieber hätte ich mir einen Weisheitszahn ohne Betäubung ziehen lassen, aber dieses Gespräch war meine einzige Chance, hier herauszukommen. Ich wählte und atmete tief durch, als nach dreimaligem Klingeln der Hörer abgenommen wurde.
»Nick? Hier ist Alice. Wo warst du denn, du Mistkerl? Wegen dir sitze ich jetzt auf der Wache in der BehringstraÃe, und die halten mich hier für eine Nutte, nur weil du mal was Neues ausprobieren wolltest!«
»Alice? Bist du betrunken? Ich komme nicht ganz mit.«
»Jaja«, gab ich zurück, »deine Entschuldigung kannst du dir jetzt auch schon sparen, komm lieber auf die Wache, und erklär den Leuten hier, dass das alles deine Schuld ist«, giftete ich und legte den Hörer auf.
»So«, sagte ich zu der Beamtin mir gegenüber, »mein Verlobter kommt gleich, und dann wird Ihnen das alles ganz schrecklich leidtun, aber dann ist es zu spät.«
Sie sah mich leicht verwirrt an und sagte: »Ich lass Sie jetzt allein, bis Ihr angeblicher Verlobter kommt, dann sehen wir weiter.«
O lieber Gott, bitte lass Nick mitspielen, flehte ich. Lass ihn nicht sauer sein, weil ich ihn mitten in der Nacht auf eine Polizeiwache kommen lasse, und bitte, mach, dass er mir hilft!
Ich saà die nächste halbe Stunde wie auf Kohlen, bis die Beamtin endlich wiederkam â mit Nick im Schlepptau. Er warf einen Blick auf mich und mein Outfit und hatte sichtlich Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Dieser Mistkerl.
»Also«, meldete sich die Hüterin des Gesetzes zu Wort, »dann mal los, ich bin ja sehr gespannt auf Ihre Geschichte.«
»Das war so«, begann ich, »Nick, also dieser Mann hier und ich, wir sind verlobt. Und mein Verlobter ist eigentlich ein ganz normaler Mann, nur hat er ständig neue Ideen, um unser Sexleben aufzupeppen. Na ja, und heute Abend kam er auf die Idee, ich sollte eine Nutte spielen, und er würde mich am StraÃenrand aufgabeln. Na ja, Sie wissen schon.« Ich guckte ihr starr in die Augen, nur, um nicht Nick ansehen zu müssen. »Aber irgendwas ist da schiefgelaufen, ich habe keine Ahnung, warum er nicht gekommen ist. Und als dann Ihre beiden Kollegen gehalten haben, dachte ich, das gehört mit zum Spiel, verstehen Sie?«
Sie wandte sich an Nick. »Können Sie das bestätigen?«
Nick hatte tatsächlich den Nerv, schuldbewusst zu gucken. »Ja, meine Verlobte sagt die Wahrheit. Das ist mir ja alles so peinlich, ich habe einfach die Uhrzeit verwechselt, ich dachte, wir
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