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Vollmeisen

Vollmeisen

Titel: Vollmeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klein Kerstin
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Hecktüren. Kaum hielt der Wagen, waren wir schon draußen. Vorsichtig schlossen wir die Türen wieder hinter uns und standen auf der Straße. Uns miteinander unterhaltend, gingen wir auf den Bürgersteig und einfach weiter. Und außer ein paar komischen Blicken von müden Berufspendlern passierte wirklich nichts.
    Â»Wo sind wir hier denn überhaupt?«, fragte Melinda.
    Das hätten wir wohl vorher mal in Erfahrung bringen sollen. Die Straße, auf der wir standen, sah aus wie jeder andere Autobahnzubringer. Viel Gewerbe und Tankstellen.
    Â»Gute Frage. Lass uns mal da zur Tankstelle gehen, da werden wir schon herausfinden, wo wir sind.«
    Plötzlich packte mich Melinda am Arm. »Guck mal, da, an der Zapfsäule.«
    Dort stand ein Lieferwagen mit der Aufschrift Ihr Blitzkurier . Aber noch besser war das Kennzeichen – der kam ja aus unserer Stadt!
    Wir nickten uns bedeutungsschwanger zu.
    Â»Los«, forderte Melinda mich auf, »und immer schön mit den Hüften wackeln.« Sie machte es vor und ging auf einen untersetzten Mann mittleren Alters zu. »Hallo«, strahlte sie ihn an, »Sie sind unsere Rettung, der Himmel muss Sie geschickt haben.«
    Er sah schon mal geschmeichelt aus.
    Â»Wissen Sie«, redete Melinda weiter, »wir hatten hier in der Gegend ein Shooting für den Playboy . Aber wir haben unser Team verloren, die müssen ohne uns losgefahren sein. Ob Sie uns wohl mitnehmen könnten?«
    Der Mann guckte jetzt eindeutig begeistert. »Der Playboy ? Seid ihr beide welche von den Nacktmodels?«
    Â»Nur ich«, belehrte ihn Melinda. »Sie da ist meine Assistentin.«
    Typisch, sie wird sich nie ändern.
    Â»Also klar, ja, aber wo wollt ihr denn hin? Ich hatte eben eine Tour und fahr jetzt wieder nach Hause.«
    Perfekt. »Also, wenn Sie uns in der Nähe vom Hauptbahnhof rauslassen könnten, wäre das super«, schaltete ich mich ein.
    Kurz darauf saßen wir auf der Rückbank, und es ging Richtung Heimat. Wir hörten unseren Fahrer noch aufgeregt fragen: »Ja, und, erzählt doch mal, wie ist denn so ein Shooting?«, da fielen wir schon in einen Tiefschlaf. So eine harte Woche hatten wir noch nie gehabt, der Schlaf kam ganz automatisch.
    Wir wachten erst wieder auf, als der enttäuschte Fahrer uns am Hauptbahnhof herausließ. Melinda schenkte ihm noch ein sehr verführerisches Lächeln, aber das war wohl auch kein Trost mehr für ihn. Egal, wir liefen zur U-Bahn, hofften während der zwanzigminütigen Fahrt, dass uns kein Kontrolleur erwischen würde, und hatten wieder Glück. Unbehelligt stiegen wir an unserer Haltestelle aus und gingen nach Hause.
    Mamas Auto stand vor der Tür, Papas Klempnerwagen nicht. Ein gutes Zeichen, aber wir beschlossen, vorsichtig zu sein, und schlichen erstmal ums Haus. Soweit sah alles ganz normal aus. Durch das Fenster im Wohnzimmer sahen wir, dass es leer war. Danach duckten wir uns vor dem Küchenfenster und schoben ganz langsam unsere Köpfe hoch. Und da war unsere Mutter, unbeschwert und fröhlich saß sie am Küchentisch und entsteinte Kirschen. Von einem Geiselnehmer weit und breit keine Spur, alles friedlich. Jedenfalls bis sie unsere halben Köpfe vor dem Fenster sah. Sie schrie unglaublich laut auf, sprang vom Stuhl und schnappte sich die uns wohlvertraute Bratpfanne, die im Abtropfbecken lag.
    Mit einem Ruck riss sie das Küchenfenster auf, wobei sie die Bratpfanne wild um sich schwang. »Perverse, Spanner, Triebtäter! Na wartet, euch werde ich es zeigen, nicht mit mir!«
    Â»Mama!«, rief ich laut. »Wir sind es doch nur, jetzt beruhige dich doch.« Die Bratpfanne kam zur Ruhe, meine Mutter noch nicht so ganz.
    Â»Alice? Melinda? Ja, sagt mal, was soll denn das, mich so zu erschrecken? Erst lasst ihr euch tagelang nicht zu Hause blicken, und dann schleicht ihr auch noch wie Verbrecher im Garten herum. Was denkt ihr euch eigentlich dabei?«
    Â»Mach uns bitte mal auf, wir können alles erklären«, bat Melinda. Kurz darauf standen wir in der Küche und guckten unsere Mutter glücklich an.
    Ich fiel ihr gleich um den Hals. »Mama«, schluchzte ich, »dir geht es gut, das ist so schön. Dir geht es doch gut, oder? Du tust doch nicht so, weil man dich dazu zwingt, oder?«
    Â»Was?? Warum soll es mir denn nicht gut gehen, mal davon abgesehen, dass ich zwei missratene Töchter in die Welt gesetzt

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