Vollmeisen
habe?«
»Ach«, sagte Melinda, »wir dachten nur, man würde dich als Geisel halten, aber dann ist ja jetzt alles gut.«
»Ich, eine Geisel? Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, seufzte meine Mutter und setzte sich wieder an den Küchentisch.
»Wir werden dir alles später erklären«, versprach ich ihr, »aber vorher muss ich ganz dringend telefonieren.« Na ja, alles würde ich ihr nur dann erklären, wenn ich es gar nicht verhindern konnte. Jetzt lief ich erstmal ins Wohnzimmer, machte die Tür fest hinter mir zu und wollte Nick anrufen. Einen Moment war ich völlig erschrocken, weil mir seine Handynummer nicht einfiel. Und der Zettel mit seiner Nummer drauf lag natürlich noch neben dem uralten Telefon in meinem Häuschen im Dorf. Aber, puh, ich hatte sie damals doch auch in meinem Notizbuch notiert, und das müsste noch oben in meinem Zimmer sein. Genau, da lag es. Ich sauste wieder runter, vorbei an der offenen Küchentür, wo meine Mutter mich fassungslos anstarrte, und wieder ins Wohnzimmer.
Es klingelte zweimal, dann hörte ich diese Stimme, die ich so sehr vermisst hatte.
»Nick«, fast schrie ich, »ich bin es, es ist alles wieder gut. Ich und Melinda waren nutzbringende Geiseln vom Belgier, aber wir haben es geschafft zu fliehen.«
»Alice«, auch Nick schrie nun, wirkte aber sehr erleichtert, »o verdammt, Alice, geht es dir gut? Wo bist du?«
»Wir sind gerade eben nach Hause gekommen, zu meinen Eltern. Uns geht es gut, und Mama entsteint Kirschen.« Okay, ich redete völligen Blödsinn. Aber ich war so froh, wieder in Nicks Nähe zu sein, und wohl einfach etwas durcheinander.
»Kannst du bitte herkommen? Kannst du mich abholen? Kannst du meine Eltern beschützen? Es könnte sein, dass der dicke Vincent so langsam nach uns sucht.«
»Ich bin schon unterwegs. Rühr dich nicht vom Fleck, geh nicht weg, ich bin in einer halben Stunde da. O Gott, Alice, ich habe mir solche Sorgen gemacht. Geht es dir auch wirklich gut?«
»Ja, wirklich, also meine Hände haben ganz schön was abgekriegt, aber ansonsten bin ich okay.«
Er wiederholte noch mal, dass er sofort losfahren würde, und ich ging zurück in die Küche.
»Also, Nick kommt gleich, und dann wird alles gut, ist das nicht toll?«
Melinda strahlte, meine Mutter nicht. »Würdet ihr mir jetzt bitte sofort sagen, was hier los ist? Alice, du setzt dich jetzt hin, und du stehst nicht eher wieder auf, bis du mir alles erzählt hast.«
Ach je, was sollte ich ihr bloà sagen? Vielleicht würde sie die Sache mit Simon und den Drogenhändlern noch verstehen, aber sobald sie von meinem Job in der Pornobranche erfuhr, war ich tot.
»Mama«, setzte ich an, »also, das war so. Der dicke Belgier, der hier war, weiÃt du noch, der mit den Pralinen?«
»Und ob ich das noch weiÃ, du hast dich damals wie eine Verrückte aufgeführt. Nicht, dass das was Neues wäre«, fügte sie noch kopfschüttelnd hinzu.
»Na ja, jedenfalls der Belgier, der war überhaupt kein Freund von mir, sondern ein Betrüger, der mit Simon unter einer Decke steckte. Die beiden haben zusammen das Finanzamt betrogen. Ich wusste von gar nichts«, setzte ich schrill hinterher, als ich den Blick meiner Mutter sah.
»Und als ich dann in meinem Job bei der Produktionsgesellschaft anfing, stellte sich heraus, dass das gar keine echte Produktionsgesellschaft war, sondern eine verdeckte Ermittlung der Polizei, die haben dort nur so getan, als ob sie Missstände aufdecken wollten. Aber eigentlich wollten sie Simon und den dicken Belgier auffliegen lassen.«
Nun war meine Mutter tatsächlich einmal sprachlos.
»Na ja, und was sollte ich denn dann machen? Ich konnte doch nicht gleich wieder den Job kündigen, das wäre dir doch auch nicht recht gewesen, oder? Und so hab ich mich die letzten Tage mit Melinda zusammen an die Spuren der beiden geheftet, aber wir haben sie nicht gefunden. Und darum kommt Nick jetzt her, um uns wieder dabei zu helfen.«
Das hörte sich doch glaubwürdig an, oder? Ich schielte zu Melinda rüber, die den Daumen hochhielt. Aber meine Mutter hatte da noch die eine oder andere Frage.
»Ja, sag mal, dieser Nick, ist der denn von allen guten Geistern verlassen? Er ist doch der Polizist, habe ich das richtig verstanden?«
Melinda und ich nickten.
»Und warum, bitte schön,
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