Vollmondfieber: Roman (German Edition)
standen am Rand der Lichtung, die die Hütte umgab. Ich lugte über seine Schulter hinweg. Seine Anspannung und seine Furcht, zwei rauschende, donnernde Wildwasser, übertrugen sich auf mich. Meine Wölfin reagierte, bellte und knurrte.
Wenn Rourke angespannt war, würde mir nicht gefallen, was ich zu sehen bekäme. Ich wusste das.
Ich keuchte auf.
Von überallher schlichen fremde Wölfe auf die Lichtung zu. Immer noch in menschlicher Gestalt, aber knurrend, kamen sie langsam näher. Ihre Augen glühten gelb. Jeder von ihnen war auf der Schwelle zur Wandlung, und alle führten eindeutig Übles im Schilde.
Aber das war nicht das, was meine Aufmerksamkeit fesselte.
Fünf vermummte Gestalten in dunklen Umhängen standen mitten auf der Lichtung, als wäre die Zeit für sie stehen geblieben. Obwohl es Nacht und vollständig dunkel war und sie alle Schwarz trugen, schimmerten sie sonderbar im Mondschein, schienen die sie umgebende Finsternis zu reflektieren.
Eine der vermummten Gestalten glitt auf uns zu.
Sie schien den Boden gar nicht zu berühren.
»Rourke«, zischte sie, während fahlweiße Hände langsam die Kapuze zurückschoben und ein erschreckend schönes Gesicht offenbarten. Es wirkte, als sei es aus Elfenbein und Knochen geschnitzt. Die Gesichtszüge waren zu klar definiert, um in irgendeiner Welt real zu wirken. Die Augen, die das Gesicht beherrschten, glänzten wie flüssiges Quecksilber, jetzt wo die Kapuze sie nicht mehr verbarg. Sie schienen die Dunkelheit förmlich zu durchbohren. »Die Königin ist sehr unzufrieden mit dir«, tadelte die Gestalt zischend. Als sie dabei den Mund öffnete, kamen zwei der längsten Reißzähne zum Vorschein, die ich je gesehen hatte – und das will was heißen. Das Lächeln des Wesens erfüllte michmit Entsetzen und Abscheu, und sein Mund verzerrte sich in sonderbarer, widernatürlicher Weise. »Du hättest uns den weiblichen Werwolf gestern liefern sollen. Du warst ein sehr, sehr böser Junge!«
Vampire!
KAPITEL EINUNDZWANZIG
S o war das nicht vereinbart, Valdov«, knurrte Rourke. »Das weißt du genauso gut wie deine Königin! Mein Auftrag umfasste lediglich die Beschaffung von Informationen. Von Entführung oder Auslieferung war nie die Rede.«
Schmerz schoss durch meine Finger, als Rourke den Griff um meine Hand so sehr verstärkte, dass mir beinahe die Knochen brachen. Seine Unterarmmuskeln fingen auf gefährliche Weise an zu pulsieren.
Krampfhaft durchwühlte ich meine interne Datenbank nach allem, was ich über Vampire wusste, und das war nicht gerade viel. Ich wusste ungefähr so viel über sie wie der Rest der übernatürlichen Gemeinschaft – dass sie in New Orleans und Frankreich je einen Konvent unterhielten, von dem aus sie in Aktion traten. Regiert wurden sie seit gut vierhundert Jahren von der mächtigen Königin Eudoxia, die Gerüchten zufolge von Iwan dem Schrecklichen gezeugt worden war.
Gewöhnlich lebten Vampire zurückgezogen, waren enorm machtvoll und irrsinnig gefährlich. Ihre Geschichte war eine Abfolge schmutzigster Grausamkeiten. Sie neigten allerdings dazu, unter ihresgleichen zu bleiben. Denn praktischerweise betrachteten sie sich als Wesen, die über dem gesamten Kastensystem der Übernatürlichen standen.
Was für uns in jeder Hinsicht von Vorteil war.
Unnötig zu sagen, dass Vampire niemals die Hilfe von Hannon & Michaels gebraucht hätten, um ihre Probleme zu bewältigen. Und obwohl mein Vater während der letzten paar Jahrhunderteab und zu gegen sie hatte kämpfen müssen, normalerweise weil einer von ihnen Streit mit einem von uns angefangen hatte, hatte ich nie einen aus der Nähe gesehen.
Theoretisch sollte ich als niedrig gestellte Wolfswandlerin für Vampire ohne Interesse sein. Sie hatten keine Verwendung für die Angehörigen anderer Gemeinden.
Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollten. Die Tatsache, dass sie offensichtlich Rourke angeheuert und bereits von meiner Wandlung gewusst hatten, war schlicht und einfach furchterregend.
»Ah, ah,Rourke, unsere Vereinbarung …«, Valdov legte vor seiner eisigen Visage die Fingerspitzen aneinander, »… besagte, dass du uns Informationen beschaffst unter Ausnutzung aller notwendigen Mittel. Notwendig beinhaltet natürlich ohne Frage, dass du uns das Mädchen bringst, falls du … sagen wir … an der Bewältigung deiner Aufgabe scheiterst .« Valdov musterte uns über seine spitzen Fingernägel hinweg. Sein ruhiger, quecksilberner Blick war absolut
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