Vollmondfieber: Roman (German Edition)
konnte aber keinen Hinweis darauf entdecken, wie viel Zeit vergangen sein mochte.
»Ich habe wenig Interesse daran, einen Krieg gegen deine … Art … zu beginnen.« Sie schürzte die Lippen. »Aber ich bin überzeugt, wir werden uns wiedersehen, kleines Wolfsmädchen, und das könnte schon sehr bald geschehen.«
Meine Art? Vage nahm ich nun einen Tumult außerhalb des Saals wahr. Mein Herz schlug schneller. Ich brauchte eine Sekunde, bis das letzte Puzzlestück hinsichtlich meiner Entführung seinen Platz fand. Valdov hatte den Befehl seiner Königin nicht missverstanden. Ihm war lediglich ein ziemlich großer und ziemlich wütender Alpha-Werwolf in die Quere gekommen. Wäre mein Vater nicht aufgetaucht, würde ich nun vermutlich angekettet im Kerker liegen und als Cocktailhappen herhalten.
Ich war müde und ziemlich angepisst. Mein Rudel war in den Krieg gezogen, ich war gejagt und von Vampiren entführt worden. Eine hoch organisierte Splittergruppe Werwölfe hatte einen ausführlichen Plan zu meiner Ermordung ausgearbeitet; die böse Selene hatte meinen neuen Gefährten niedergestreckt, nach dem sich mein Körper auch momentan noch sehnte. Und zu allem Überfluss deutete all das darauf hin, dass ich exakt das war, was alle stets befürchtet hatten: das Ende der Welt, wie wir sie kannten.
Ich wollte damit nichts mehr zu tun haben.
Rufe hallten durch den Korridor und kamen mit jeder Sekunde näher. Ich schaute die Königin an, die von dem Aufruhr wie gebannt schien und sich offenbar darauf vorbereitete, dass die Werwölfe ihre Tür aufbrachen. Mich hatte sie entweder vergessen, oder ich war ihre Aufmerksamkeit nicht länger wert, eins von beidem.
Als ich wieder das Wort ergriff, klang meine Stimme wie ein Knurren, das uns beide überraschte. »He, Königin!« Ihr Kopf fuhr zu mir herum. »Wenn ich nicht irre, hat die Ankunft meines Vaters im Wald Ihren Plan, mein bedauerliches ›Verschwinden‹ den Wölfen der neuen Zeit – oder wie immer sich diese Verräter nennen – anzuhängen, zunichtegemacht?«
Eudoxia kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
»War das nicht Ihre Absicht? Ich wette, Sie haben eine Menge Geduld gebraucht, um die Ängste einiger gut ausgewählter Wölfe über die Jahre so zu schüren, dass sie eine nützliche ›Allianz‹ bilden. Aber eigentlich ist das gar keine Allianz, nicht wahr? Es ist ein Marionettentheater, und die Fäden haben die ganze Zeit über Sie gezogen!«
»Die Hexe hat sich deinen Liebhaber geholt!«, zischte Eudoxia und traf mich damit erneut vollkommen unvorbereitet. Dann sah ich voller Entsetzen, wie sich ihre Züge ganz allmählich veränderten, wie sie förmlich an ihrem Gesicht herabglitten. Dann,ohne jede Vorwarnung, versetzte sie mir mit ihrer Macht einen Hieb, der sich anfühlte, als hätte sich ein Pfeil in meine Brust gebohrt. Sofort klappte ich zusammen, schlang die Arme um den Leib und rang nach Atem.
Heilige Scheiße, ist die stark!
» Du armseliges kleines Mädchen! « , geiferte sie. »Du steckst deine Nase in Dinge, die dich nichts angehen. Du hast mir keine Fragen zu stellen. Ich gestatte dir – einem schwächlichen Wandler! – lediglich, hier zu sitzen und noch immer Luft in die Lunge zu pumpen, weil ich es so will. Du solltest auf die Knie fallen, um meine Güte zu würdigen. Ich werde deine Frechheiten nicht dulden, und ich werde dir gewiss keine Rechenschaft über meine Handlungen ablegen!«
Mir blieb keine Zeit, noch etwas anderes zu tun, als mir die Rippen zu halten und verzweifelt nach Luft zu schnappen, ehe die Tür aufflog. Mein Vater stürzte in den Raum, zu meiner großen Erleichterung gefolgt von James und Tyler und ungefähr fünfzehn anderen Wölfen, die mir nicht bekannt waren. Alle waren in ihrer menschlichen Gestalt.
»Eudoxia«, knurrte mein Vater, als er auf sie zuschritt. Knurrend verteilten sich seine Wölfe samt und sonders hinter ihm.
Direkt nach den Wölfen drängte sich eine große Anzahl Vampire herein, von denen viele Korsagen und maßgeschneiderte Jäckchen mit großen, glänzenden Knöpfen trugen. Andere hingegen trugen hautenge Jeans und hippe T-Shirts. Zusammengenommen deckten die Vampire eine große Bandbreite unterschiedlicher Moderichtungen ab. Wäre Marcy hier, hätte sie ihre wahre Freude an den verschiedenen Kleidungsstilen in diesem Raum. Meiner Einschätzung nach lieferte der jeweilige Stil einen Hinweis auf das ungefähre Alter des Vampirs. Denn einen Vampir des achtzehnten Jahrhunderts
Weitere Kostenlose Bücher