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Vollmondkuss

Titel: Vollmondkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schroeder
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so angezogen fühlte. »Ich liebe ihn wirklich nicht«, sagte sie so unvermittelt, als müsste sie es sich selbst erklären.
    »Ich hatte auch nur von Mögen gesprochen«, erwiderte Leonhart, während sie auf die Burgruine zugingen, deren bröckelige Konturen sich überraschend plötzlich vor dem schwarzen Nachthimmel abzeichneten.
     
    Herr Gregori teilte den Kurs in zwei Gruppen auf. Die »Wissenschaftler« bekamen Taschenlampen und Spatel, um Mauerwerk abzutragen und in kleine Plastiktüten zu sammeln, außerdem Schreibblöcke, auf denen sie sich Notizen machen und den Grundriss nachzuzeichnen versuchen sollten. Jolin wäre gerne in diese Gruppe gegangen. Zum einen, weil auch Leonhart darin war und zum anderen, weil ihr die eher strukturierte Vorgehensweise näher lag als die der »Esoteriker«, die die Aufgabe erhielten, sich beim Gang durch das Burgruinengelände ausschließlich auf die Führung ihrer inneren Stimme zu verlassen und dabei explizit auf ihre Empfindungen und Gefühle zu achten. Außerdem hätte sie die analytische Arbeit mit Sicherheit auf andere Gedanken gebracht. So ging Rouben ihr jedenfalls nicht aus dem Kopf. Während Jolin Tanja, Simone und Annabelle, die tuschelnd und kichernd den nur spärlich beleuchteten Innenhof durchquert hatten, in das noch halbwegs intakte Obergebäude folgte, überlegte sie, warum er nicht mit zur Burg rausgefahren war. Dass er einzig und allein ihretwegen zum Hauptbahnhof gekommen war, nur um ihr zu sagen, dass sie unbedingt auf seine Party kommen müsse, konnte Jolin sich nicht so recht vorstellen. Plötzlich merkte sie, wie erschöpft sie war. Setz dich hin, und ruh dich aus, dachte sie. Tanja, Annabelle und Simone hatte sie ohnehin längst aus den Augen verloren. Nur das Gekicher der drei Mädchen hallte noch aus einem der Nebenräume zu ihr herüber. Jolin ließ sich auf einen der schweren alten Holzstühle sinken, die in einer Ecke um einen grob gezimmerten Tisch standen, und schloss die Augen. Die Atmosphäre der Burgruine konnte sie auch im Sitzen auf sich wirken lassen. Und selbst wenn sie gar nichts Besonderes wahrnahm, irgendwas würde sie sich später schon aus den Fingern saugen. Der Gregori war doch selber schuld, wenn er ihnen eine solch idiotische Aufgabe stellte. Wieder einmal bereute Jolin, dass sie den Bio-GK abgegeben hatte. Vielleicht sollte sie doch mal mit Herrn Gregori und Frau Schreimer reden. Am besten gleich morgen. Es war ihr inzwischen sogar vollkommen egal, ob sie sich damit bei ihren Lehrern lächerlich machte oder nicht. Wenn sie jetzt nicht versuchte, in den Biokurs zurückzukommen, würde sie diese seltsame undefinierbare Abhängigkeit von Rouben womöglich nie verlieren.
    »Ich werde dich vergessen, du Bastard«, murmelte sie. »Du wirst mich nicht mehr verletzen. Nie wieder!«
    In diesem Augenblick ertönte ein lautes, schlagendes Geräusch. Jolin zuckte zusammen. Erschrocken riss sie die Augen auf. Plötzlich war es stockdunkel um sie herum. Die Tür!, dachte sie. Die schwere dunkelbraune Holztür musste zugefallen sein. Langsam erhob Jolin sich von dem Stuhl und streckte tastend die Hände aus. Es ist gut, wenn du wütend bist, dachte sie. Aber das bin ich doch gar nicht! Ich bin nicht wütend, ich habe Angst. Wo war die Tür? Vergiss es! In dieser Sekunde wurde Jolin klar, dass es nicht ihre eigenen Gedanken waren, sondern fremde. Fremde, die sich wieder einmal in ihrem Kopf ausgebreitet hatten.
    »Ich vergesse gar nichts«, sagte sie, richtete sich gerade auf und lief mit ausgestreckten Armen in die Richtung, in der sie die Außenwand vermutete. Es konnten nicht allzu viele Schritte sein. Zehn oder fünfzehn, vielleicht ein paar mehr, weil sie jetzt vorsichtiger ging. Na komm! Komm schon! Jolin stoppte. Sie lauschte. - Nein, da war nichts. Oder? Ein Schatten, so groß wie ein Mensch? Oder war es nur eine dunkle Stelle in der Mauer? Jolin wagte kaum, zu atmen. Ihr Nacken und ihre Schultern waren steif vor Angst. Trotzdem machte sie noch einen Schritt, beugte sich vor - und spürte den rauen harten Stein an ihren Fingerspitzen. Die Mauer! Jolin atmete auf. Es war nur die Mauer! Jetzt musste sie weiter nach links. Die Finger immer im Kontakt mit der Steinwand lief sie zügig weiter. Die Tür, die Tür, die Tür! Das war alles, was sie denken wollte. Plötzlich fasste sie in etwas Glattes. Jolin stolperte nach vorn und wurde von einem Paar Armen aufgefangen. Hey, hey, hey. Immer schön langsam. Wir haben doch Zeit.
    »Wer bist

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