Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vollmondstrand

Vollmondstrand

Titel: Vollmondstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra M Klikovits
Vom Netzwerk:
Leben – nein, das Schönste am Urlaub war die veränderte Laune von Mutti und Vati. Nicht nur die Umgebung war ausgewechselt, die beiden waren es ebenso. Auf diese Weise ließen sich sogar die Geschwister ertragen. Clara lag zumeist mit einem Buch überm Kopf (Simmel, Kishon oder andere leichte – aber darauf legte sie Wert – Erwachsenenliteratur) im Schatten. Sie hatte helle Haut, wobei niemand wusste, ob von Geburt an oder ob es daran lag, dass sie jeden, aber auch wirklich jeden Sonnenstrahl mied. Da war sie also faul gelegen und hatte niemanden gestört. Und niemand hatte sie stören können. Auch keine potenziellen Bekanntschaften. Das war Rosas Part. Wenn man Rosi suchte – sie war schon immer mitten im Geschehen zu finden: im Wasser, beim Pingpong, beim Streunerkatzen-Füttern. Da blieben Bekanntschaften, manchmal sogar Freundschaften, nicht aus.
    Wer musste schon die gleiche Sprache sprechen, wenn man sich mit einem Lachen verstand?
    Italienische Kinder, holländische, französische und deutsche hatten sich am Campingplatz zur Abenteuer-Crew formiert . Manchmal war es laut zugegangen, manchmal nicht. Meistens war es ganz gemütlich. Die Sprache von Streithanseln und Solodarstellern wurde einfach nicht verstanden! Dafür gab es Sprachmelodien, Redewendungen und schlimme Wörter, die in keinem Wörterbuch zu finden waren. Das richtige Leben eben.
    Der kleine Peter war bei den ersten Urlauben nicht mit, weil noch nicht auf der Welt. Als er dann da war, war er nicht groß aufgefallen. Meist saß er zufrieden am Strand, ein Hütchen am Kopf, Sand von links nach rechts und von rechts nach links schaufelnd. Dazwischen hatte er immer wieder ins Zelt zum Schlafen gemusst. Zu viel Sonne war nicht gut für kleine Kinder. Da wurden sie unrund und unleidlich. Mutti hatte das gewusst. Sie wollte abends noch eine Runde mit dem Kinderwagen im Nachbarort drehen und genüsslich ein Eis schlecken. Peter war ein artiges Kind und hatte viel geschlafen.
    Was für ein Leben sich die Mutter als Mädchen vorgestellt hatte? Rosa konnte darüber nur Vermutungen anstellen. Zu fragen hatte sie sich nie getraut. Sie hatte sich wohl, dem traditionellen Frauenbild ihrer Zeit entsprechend, Mann und Kinder gewünscht. Persönlicher Freiraum dagegen entsprach nicht dem damaligen Ideal.
    Seit sie sich von ihren Betreuungspflichten enthoben sah, war Reisen für Rosas Mutter zu ihrem Hauptthema geworden. Und davor? War sie nicht mit 18 in ein anderes Land gegangen, nach Italien? Ein katholisches Land war es jedenfalls, wie daheim. Ansonsten eine andere Welt, mutmaßte Rosa heute. Viel hatte die Mutter ihr nicht erzählt aus der Zeit damals, außer dass sie dortbleiben wollte. In Italien. Für immer.
    Hatte sie, Rosa, etwa das ›Weg-von-da‹-Gen vererbt bekommen wie andere Sommersprossen oder den Silberblick? War es eine schleichend- schlummernde Geneigtheit, der sie sich letztlich nicht entziehen konnte?
    Heimweh nach woanders als unentrinnbares Schicksal?

59
    »Wie lange fliegen wir noch?« Marti fragte, als hätte er Angst, etwas zu versäumen.
    »Eine halbe Stunde noch«, antwortete Rosa. »Sieh dir die schneebedeckten Berge an, und daneben die Wüste.«
    »Die Gebirgsformationen sind ganz anders als bei uns. Und diese rote Erde. So habe ich es in Erinnerung, mein Marokko! Endlich kann ich dir zumindest einen Teil davon zeigen. Du wolltest ja damals nicht mitkommen!«
    »Da bin ich heute noch froh, irgendjemand musste ja zu Hause bleiben und sich sorgen. Im Ernst: Du weißt, dass ich tausend Tode gestorben bin, als du verschwunden warst.«
    »Jaja, aber davon will ich jetzt gar nicht reden, sondern darüber, wie schön das Land ist und wie freundlich die Leute.«
    »Wir gehen schon in den Sinkflug, schau einmal: Die Häuser sind alle ganz niedrig.«
    »Und alle sind sie rot!«

60
    »Hallihallöchen!« Eine hünenhafte Deutsche stand zur Begrüßung bereit. »Wir haben schon alles für Sie vorbereitet. Treten Sie ein!« Sie streckte zum Willkommen die Arme aus.
    Welch seltsame Verfärbung am rechten Zeigefinger, dachte Rosa. Wahrscheinlich musste man in manchen Kreisen als Raucher schon nach Afrika auswandern …
    Rosa und Marti zogen den Kopf ein, um durch die Tür zu gelangen. Drinnen erwartete sie leise Esoterikmusik und ein angenehmer Mix aus Räucherstäbchen und Gitanes.
    »Herzlich willkommen in unserem authentischen Königspalast! Fühlen Sie sich wie König und Königin, und wie zu Hause!« Die deutsche Frau lächelte. Sie

Weitere Kostenlose Bücher