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Vollmondstrand

Vollmondstrand

Titel: Vollmondstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra M Klikovits
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sah aus, als wäre sie soeben vom Pferd gestiegen. Enge Hosen, Reiterstiefel, ein Anflug von Verwegenheit im Blick.
    »Das klingt ja gut, merci!« Marti war jetzt schon entspannt. Der Innenpool plätscherte, Minztee wurde eingegossen und die beiden Weitgereisten ließen ihre Augen über die perfekt gestylte Einrichtung wandern. Von Weitem waren Kinderlachen und Vogelgezwitscher zu vernehmen.
    Was für eine Oase!

61
    »Wusstest du, dass Marrakesch die vielleicht älteste Stadt der Welt ist?«, fragte Marti, als sie am nächsten Tag zum Frühstück auf die Dachterrasse gebeten wurden.
    »Wenn ich über die Dächer schaue, die Medina sieht tatsächlich so aus, als …«
    »Aalllllahhhhh …« Der Muezzin erhob seine Stimme zum Gebet. Was folgte, waren hingebungsvolle Gesänge aus allen Himmelsrichtungen, die alles andere verstummen ließen: die streitenden Katzen, die zwitschernden Spatzen, die Kinder …
    »›Allah ist groß und Mohammed ist sein Prophet‹ heißt das«, erklärte Marti stolz.
    »Ein bisschen erinnert es mich an die Feuerwehrsirenen bei uns zu Hause, besonders bei den lang gezogenen Lauten!«, antwortete Rosa. »Hier müssen sie auch zu Allah beten, damit es nicht brennt. In den engen Gassen gäbe das eine Katastrophe!«
    »Wir sind 20 Minuten hereingeschlichen, in die Altstadt.« Es war unvorstellbar. »Ein so großes Gebiet ohne Autos, und die Menschen kochen auf der Straße in engen Nischen.« Sein Blick glitt über die Häuser bis hin zum schneebedeckten Atlas und wieder zurück zu den desolaten Dächern der Nachbarschaft. »Schau mal, da steht Hausmauer an Hausmauer, mit dem Innenhof in der Mitte. Der gibt Raum und schenkt freie Aussicht auf den Sternenhimmel, nachts!«
    »Hm, wenig Sicherheit, dafür viel Leben!«, sinnierte Rosa. »Bei uns sitzen die Leute gut versorgt auf dem Sofa und holen sich das Leben mit dem Privatfernsehen ins Haus.«
    »Ich weiß, Roserl, das magst du nicht!«
    »Weil’s wahr ist!«, antwortete sie selbstgefällig, »es gibt Menschen, die schauen Reality-Shows, anstatt ihr eigenes Leben zu leben! Du glaubst nicht, wie viele das machen.«
    »Ich habe einmal gelesen, dass man kurz vorm Tod sein Leben wie einen Film sieht.«
    »Ja, und manche Menschen sehen dann die Zusammenfassung der Talkshows«, ergänzte Rosa spitz.
    Marti wollte das Thema wechseln: »Lass uns rausgehen!«
    »Raus aus dem Hotel? Bist du wahnsinnig?«
    Esel schrien, Mopeds zogen an kleinen Kindern vorbei, die lachend durch die Gassen liefen, dazwischen Händler, Eisenschmiede, verhüllte Frauen, die Brot zum Bäcker brachten, und Mädchen, die Wasser für zu Hause holten.
    »Wusstest du«, begann Marti seine Belehrungen, »dass jeder Stadtteil eine eigene Quelle, eine Moschee, eine Koranschule, einen Bäcker und einen Hammam braucht? Und dass es gesittete, ruhige Stadtteile gibt und laute, stinkende?«
    »Mhh«, antwortete Rosa und zog wortlos den Schal vors Gesicht. Sie wusste, in welchem sie gelandet war.

62
    »Combien est-ce que vous voulez, Madame? Ça c’est fait douze Dirham«, erklärte der Verkäufer und tippte wie zur Bekräftigung auf jedes einzelne Gebäckstück.
    Na bravo, dachte Rosa. Ich habe sie mit der Zange genommen, um sie keimfrei in den Mund zu bekommen – und dann das!
    »C’est sont combien?«, mischte sich ein älterer Verkäufer in Chellabah ins Gespräch ein, um in rhythmischen Abständen erneut die Kokosmakronen anzutippen.
    Rosa überlegte, ob sie sagen sollte, nein, danke, sie hätte es sich anders überlegt. Aber der Duft von gebrannten Mandeln und Blätterteig-Öhrchen hielt sie in dem kleinen Laden in Essaouira wie gefangen.
    Seit Rosa in Griechenland Tierkohle aus dem ersten Stock eines schmucken, weiß getünchten Häuschens erbrochen hatte, war sie im Urlaub vorsichtig – oder versuchte es zumindest zu sein. Die schwarzen Spuren waren damals weithin zu sehen gewesen.
    Quel blamage! Wenn es ihr Kreislauf damals erlaubt hätte, sie hätte sich geniert, ehrlich! Aber so war sie eine von fünf Urlaubswochen in dem brütend heißen Obergeschoss gelegen und hatte versucht, nicht zu erbrechen. Mit geringem Erfolg. Die armen Griechen, sie konnten nichts dafür, aber es blieb im Gedächtnis, wenn man seine Körperfunktionen nicht mehr kontrollieren konnte, und irgendwie verband man es auch mit dem Ort des Geschehens. Sie war danach lange nicht mehr nach Griechenland gereist, und schon gar nicht mehr auf eine Insel ohne Touristen und ohne Vegetation und ohne

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