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Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung

Titel: Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas M. Sturm
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sich bereit erklärt, ein normales Leben zu führen. Wir haben es auch mit Bestrafung versucht. Es hat alles nicht geholfen.«
    Karin sagte kein Wort. Sie saß regungslos da und starrte auf den Apfelbaum, der hinter Frau Mahlers Platz wuchs. Als eine peinliche Pause entstand, weil niemand sprach, ergriff Sandra das Wort. »Seit wann wissen Sie denn, dass Ihre Tochter Frauen liebt?«
    »Sie hat es uns am Tag Ihrer Konfirmation gesagt. Ich weiß es noch wie heute. Die ganze schöne Feier war uns verdorben.«
    »Und wie ging es weiter?« Sandra versuchte, ihren Unmut über diese Frau zu verstecken.
    »Zuerst hofften mein Mann und ich, es sei nur eine Laune von Adina, aber sie versteifte sich immer mehr in diesen Wahn. Ich habe ihr angeboten, sie zum Arzt zu begleiten. Wir wären auch für die Behandlungskosten aufgekommen, aber Adina war total verbohrt. Sie zog sich immer mehr in sich zurück und blieb oft lange Zeit von zu Hause weg. Mit achtzehn ist sie ausgezogen. Wir haben sie dann viele Jahre nicht gesehen, bis sie vor fünf Jahren auf einmal vor der Tür stand.«
    »Was war der Grund ihres Kommens?«, Sandra war ihr Widerwille nun deutlich am Gesicht abzulesen.
    Karin, die inzwischen fast krank vor Hilflosigkeit und Abscheu war, holte auf einmal ihren Kalender hervor, riss eine Seite heraus, kritzelte ein paar Worte darauf und schob den Zettel zu Sandra hin, dann stand sie auf und ging grußlos davon.
    Sandra nahm das Stück Papier und las: »Mach allein weiter, ich kann nicht mehr.«
    »Was hat denn Ihre Kollegin?«, fragte Frau Mahler spitz.
    »Nichts!«, sagte Sandra ziemlich scharf. »Kommen wir nun auf meine Frage zurück. Weshalb ist Ihre Tochter vor fünf Jahren noch einmal zu Ihnen gekommen?«
    »So genau weiß ich das nicht. Sicher wollte sie wissen, ob wir unsere Meinung geändert haben. Mein Mann fragte sie gleich als Erstes, ob sie ihre unselige Veranlagung abgelegt hätte. Das war augenscheinlich nicht der Fall, denn sie drehte sich einfach nur um und ging wieder. Seit diesem Tag haben wir von Adina nichts mehr gehört.«
    Sandra erhob sich und verabschiedete sich kühl von Frau Mahler. Doch diese wollte sie nicht so leicht gehen lassen. »Warum haben Sie denn all diese Fragen über Adina gestellt?«
    Sandra überlegte kurz, ob sie die Frau einfach stehen lassen sollte, aber dann siegte ihr Anstand. »Sie ist eine wichtige Zeugin, und wir hatten gehofft, Adina bei Ihnen anzutreffen. Es gibt da noch offene Fragen.« Mit diesen Worten speiste Sandra Frau Mahler ab, danach verließ sie, ohne Herrn Mahler zu beachten, mit großer Eile das Grundstück, als befürchtete sie, sich zu beschmutzen.
    Karin wartete im Dienstwagen. Sie saß auf dem Beifahrersitz und Tränen liefen über ihre Wangen. Sandra setzte sich zu ihr, legte die Arme um sie und hielt Karin einfach nur. Beide schwiegen und rührten sich nicht.
    »Entschuldige«, sagte Karin nach einer Weile. »Sonst bin ich nicht so nah am Wasser gebaut, aber diese Leute waren einfach zu viel für mich.«
    »Auch mir ist es sehr schwer gefallen, an mich zu halten. Diese Leute haben nicht nur enge Köpfe, auch ihre Herzen sind verdorrt. Wie können Menschen nur so sein? Ich verstehe das nicht. Sie verstoßen die eigene Tochter. Und warum? Weil sie Frauen liebt? Oder haben die einfach nur Angst vor dem, was sie nicht verstehen?« Sandra schüttelte erschüttert den Kopf und wirkte todunglücklich.
    Karin löste sich aus Sandras Umarmung und wischte ihre Augen trocken. Aus ihrer Traurigkeit wurde nun Zorn. Erbittert sagte sie: »Und statt ihrer Tochter das zu geben, was sie am nötigsten braucht, nämlich Verständnis und Liebe, versuchen sie es mit Zuckerbrot und Peitsche.«
    Sandra nickte freudlos: »Ich kann immer noch nicht glauben, was wir da gerade gehört haben. Diese Leute bewerten die Meinung fremder Menschen höher, als die Liebe zu ihrer Tochter. Das ist total krank. Irgendetwas kann mit unserer Gesellschaft nicht stimmen, wenn es zu derartigen Auswüchsen kommt.« Sie hielt kurz inne, atmete tief durch und ließ ihren empörten Gefühlen freien Lauf: »Viele Menschen fühlen sich immer noch den Werten verpflichtet, die vor Hunderten von Jahren von einer Priesterkaste geprägt wurden. Und dabei macht es ihnen gar nichts aus, dass eben diese Priester, genau das, was sie verdammen, hinter ihren Mauern ausleben.«
    Karin standen wieder Tränen in den Augen, aber Sandra war nicht klar, ob es Tränen des Zorns oder der Trauer waren. Und nachdem Karin

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