Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
ich habe schon zu oft hinter so eine Fassade geschaut. Was sich da bisweilen für ein Sumpf aufgetan hat, das spottet jeder Beschreibung.«
»Über solche Dinge sind wir im aktuellen Fall zur Genüge gestolpert. Ich denke da nur an Haase und wie der seine Frau jahrelang quälte.«
Karin nickte und hielt Sandra noch zurück. »Hast du deine Marnili dabei? Ich meine nur für den Fall, dass sich Adina bei ihren Eltern befindet und etwas dagegen hat, sich verhaften zu lassen.«
»Solltest du meine Präzisionswaffe der Firma Manurhin mit deinen respektlosen Worten meinen - ja, die trage ich bei mir. Wo hast du denn deine Spielzeugpistole? Verbummelt?« Sandra war froh, sich wieder mit Karin necken zu können, sie mussten beide ihre Arbeit erledigen und durften sich nicht von Depressionen gefangen nehmen lassen.
Karin ging sofort auf Sandras lockeren Ton ein. »Als ich heute Vormittag das Haus verließ, wollte ich ein Stück wandem. Für gewöhnlich nehme ich da meine Waffe nicht mit. Bisher stellten die Weidenkätzchen keine so große Bedrohung dar, dass ich schießen musste.«
Nach ein paar Schritten kamen sie an das Haus, welches Adinas Eltern bewohnten. Im Vorgarten arbeitete ein älteres Paar. Die Frau entfernte bunte Kunststoffostereier von einem Baum und der Mann grub ein Beet um. Karin und Sandra blieben am Tor stehen. Karin machte sich bemerkbar, indem sie den Leuten winkte. Beide unterbrachen ihre Arbeit und kamen neugierig zu den beiden Ermittlerinnen.
»Guten Tag. Entschuldigen Sie bitte die Störung zum Sonntag. Wir sind von der Kriminalpolizei und haben ein paar Fragen an Sie«, betete Karin ihre übliche Floskel herunter.
»Siehst du«, sagte der Mann zu der Frau gewandt, »ich wusste, dass sie dahinter kommen, dass wir die Sparkasse überfallen haben.«
Karin lächelte lahm. Witze dieser Art hatte sie schon viel zu oft hören müssen. Sie kam gleich zur Sache: »Ich vermute, Sie sind das Ehepaar Mahler.«
Beide nickten.
»Wir müssen Ihnen Fragen zum Aufenthaltsort Ihrer Tochter Adina stellen.«
Das Gesicht des Mannes gefror. »Ich habe keine Tochter«, grollte er. Damit wandte er sich wieder seinem Spaten zu und grub weiter, ohne den beiden Beamtinnen noch einen Blick zu schenken.
»Sie müssen meinen Mann entschuldigen«, sagte die Frau nervös. Er ist sehr verbittert, wegen dem, was uns Adina angetan hat. Kommen Sie doch bitte herein.« Sie ging voraus und führte Karin und Sandra hinter das Haus zu einem weißen Tisch, um den Gartenstühle angeordnet waren.
»Den Worten Ihres Mannes entnehme ich, dass sich Adina nicht bei Ihnen aufhält«, sagte Karin, nachdem sich alle gesetzt hatten.
»Wir haben sie vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen.« Frau Mahler, die zuerst fahrig über die Wachstuchtischdecke gestrichen hatte, hielt ihre Hände nun verkrampft unter dem Tisch gefaltet.
»Darf ich fragen, worin der Grund für das Zerwürfnis mit Ihrer Tochter liegt?« Karin kam die Art, wie die beiden Mahlers auf ihre Tochter reagierten, sehr merkwürdig vor. Dementsprechend misstrauisch war sie. Zogen die beiden nur ein mieses Theater ab, um ihrer Tochter Unterschlupf zu gewähren, fragte sie sich im Stillen. Dass Frau Mahler, statt ihre Frage zu beantworten, nun herumdruckste, verstärkte ihren Argwohn zusätzlich. Karin beschloss, auf die härtere Gangart umzuschalten und hakte nach: »Frau Mahler, wenn Sie meine Fragen nicht beantworten, bin ich gezwungen, Sie und Ihren Mann von einem Streifenwagen abholen zu lassen. Wir müssten dann das Verhör offiziell machen und Sie beide in der Polizeidirektion befragen.«
Frau Mahler fuhr erschrocken von ihrem Stuhl hoch und hob abwehrend die Hände. »Bloß nicht!«, rief sie entsetzt. »Wenn das die Leute sehen …«
Karin setzte gleich nach. Sie holte ihr Handy heraus und warf Frau Mahler einen ungeduldigen Blick zu.
»Halt. Bitte warten Sie! Ich erzähle Ihnen auch alles.« Frau Mahler war sichtlich verstört. Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, dann begann sie stockend und mit leiser Stimme: »Es ist mir sehr unangenehm, über dieses Thema zu sprechen. Adina hat doch diese abartige Veranlagung.«
»Meinen Sie damit, dass sie lesbisch ist?«, fiel ihr Karin ins Wort. Und nun ging ihr ein Licht auf. Die beiden Herrschaften versteckten ihre Tochter nicht. Sie war ihnen peinlich.
»Ja, so nennt man das wohl. Wir haben alles versucht, um Adina zu helfen. Mein Mann hat ihr versprochen, das Studium zu finanzieren, nur dafür, dass sie
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