Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
hinein. Schritt für Schritt hatte sie seine Ankunft nachvollzogen. Sie drang mit der Waffe im Anschlag in das Haus ein, genau wie er das auch tun würde. Jeden Raum durchsuchte sie. Unvoreingenommen beobachtete sie dabei ihr Verhalten. Zuerst überprüfte sie vom Türrahmen aus alle Bereiche des Zimmers, die sie einsehen konnte, danach wagte sie sich weiter vor, dabei immer auf ihre Deckung achtend. Nach ein paar Räumen war ihr aufgefallen, dass sie zwar alle Winkel sicherte, aber nie nach oben sah. Sie ging davon aus, dass auch ihr Feind ähnliche Verhaltensmuster befolgen würde
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Adina suchte nun den Raum, der für ihre Zwecke am besten geeignet war. Sie musste nicht lange suchen, da sie sich in dem verlassenen Haus bestens auskannte
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Nach Sarahs Tod hatte es sie oft in die Einsamkeit dieses auf seine Rekonstruktion wartenden Gebäudes gezogen. Sie saß stundenlang in den alten Zimmern und malte. Als Sarah nicht mehr bei ihr war, konnte sie keine fröhlichen Landschaften mehr zeichnen. Ihr Sinn für Schönheit war verdorrt
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Adina fand einen Raum im obersten Stockwerk, dessen Decke heruntergebrochen war. Mithilfe ihrer Klappleiter konnte sie rasch hinaufsteigen. Ihr Bettzeug diente zur Polsterung, wenn sie nach dem Aufstieg die Leiter unter sich wegstieß. Die Räume waren nicht zu hoch und da sie kräftig war, fiel es ihr leicht, nach unten zu klettern. Einige alte Kisten, die sie so positionierte, dass sie den Blick auf die liegende Leiter versperrten, vervollständigten die Tarnung
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Adina glaubte, alles bedacht zu haben. Sie saß da und streichelte ihre Luger. Doch sie wusste auch, dass ihr Plan auf der Handlungsweise eines Menschen beruhte. Und Menschen pflegen oft anders zu handeln, als man mühevoll plante
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Nachdem Steffen aufgebrochen war, bat Sandra um einen Moment Zeit. Sie wollte sich die Wohnung auch ansehen. Sie ging langsam durch die Räume und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Sie entdeckte, dass an den Wänden Aquarelle und Ölbilder hingen. Viele dieser Bilder stellten Landschaften dar. Auf den meisten waren Darstellungen von sonnendurchfluteten, mediterranen Hügeln, Alleen und Flusstälern zu sehen. Sandra verweilte lange vor diesen Bildern.
»Ein warmes Nest hatten Adina und Sarah sich hier gebaut. Es fällt mir furchtbar schwer, zu realisieren, dass eine einzige Nacht genügt hat, alles zu zerstören.« Sandra wirkte bedrückt, als sie leise diese Worte sprach.
»Du hast recht«, stimmte Karin zu. »Es war ihr Schlupfwinkel, um dieser intoleranten Welt zu entfliehen. So wie ich das sehe, behielt Sarah ihre alte Wohnung nur, um den Schein zu wahren. Wir haben ja den Schulleiter gehört. Sarah konnte ihre Liebe nicht offen leben. Sie lebte in ständiger Angst, ihren Job zu verlieren. Es ist furchtbar, dass man so oft gezwungen ist, etwas vorzutäuschen, nur weil einige Menschen, deren Köpfe viel zu eng für diese Zeit sind, meinungsbildend für so viele andere sind.«
Sandra konnte sich nicht von den Gedanken an die eine schreckliche Nacht losreißen und seufzte tief. »Wie können Menschen, wie die drei Kerle, die Sarah so etwas Furchtbares antaten, nur so tief sinken, dass sie zu Tieren werden und einfach aus einer Laune heraus ein Leben zertrampeln?«
Seit Karin Sandra kannte, hatte diese nie so unglücklich und traurig ausgesehen, wie in diesem Augenblick.
Karin fasste Sandras Hand und sagte: »Du musst stark sein, denn sollten wir das dritte Ungeheuer vor Adina finden, dann pass bitte auf mich auf. Wenn mich keiner hindert, passiert etwas Schlimmes.«
Sandra sah Karin an. »Ich befürchte, du musst dich hinten anstellen. Ich kann nicht garantieren, dass ich mich beherrschen kann.«
Karin dachte lange nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, wir dürfen uns nicht hinreißen lassen. Wir werden aufeinander achten. Versprochen?«
Sandra nickte ernst.
Während der Fahrt zu Adinas Eltern schwiegen Karin und Sandra. Beide waren niedergeschlagen und hingen ihren freudlosen Gedanken nach. Die von Sandra ermittelte Adresse lag in einer Reihenhaussiedlung. Zu allen Häusern gehörte ein Vorgarten. Diese Gärten und auch die Häuser selbst waren mustergültig gepflegt. Die Sonne, die seit dem Nachmittag wieder hinter den Wolken hervorgekommen war, strahlte auf eine scheinbar perfekte Welt.
Karin sah sich um und sagte: »Dieser Job hat viele Schattenseiten. Eine davon ist, dass er mir alle Illusionen geraubt hat. Wenn ich mich hier umsehe, erblicke ich eine heile Welt. Doch
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