Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Ideen durch den Kopf gegangen. Ich würde mich gern mit dir darüber unterhalten. Hast du noch etwas in den Schriftstücken entdeckt?«
Sandra nickte. »Eventuell. Aber erst bist du an der Reihe, du siehst nämlich aus, als würdest du gleich platzen.«
»Na gut. Also der Reihe nach. Adinas Ziel besteht darin, auch den dritten Vergewaltiger zu töten. Offensichtlich weiß sie aber nicht, wo er sich aufhält. Da sie mit Sicherheit seinen Namen kennt, kann das nur bedeuten, dass er sich nicht an seinem normalen Wohnort aufhält. Er ist somit für sie nicht greifbar. Sie muss ihn also aufspüren. Wie stellt sie das an?«
Nach dieser rhetorischen Frage schenkte sich Karin Wasser nach und befeuchtete ihre Kehle. Sie ordnete kurz ihre Gedanken und sprach weiter: »Adina ist zu unserem Glück leicht zu analysieren, da sie ein sehr logisch denkender Mensch ist. Das hat sie bei der Planung und Durchführung ihres zweiten Mordes bewiesen.«
Sandra unterbrach Karins Redefluss. »Weshalb ist sie für uns auf einmal so leicht zu durchschauen? Gerade weil sie so gerissen ist, kommen wir doch so schwer an sie heran?«
»Adinas Logik hat zwei Seiten. Wenn sie sich vor uns versteckt, macht sie es uns natürlich schwer, aber ihre Pläne zu durchschauen, ist uns nur durch ihren Pragmatismus möglich. Stell dir vor, sie wäre geisteskrank und würde sich von Stimmen leiten lassen, die nur in ihrem Kopf existent sind. Dann würden wir ziemlich alt aussehen, da die Stimmen nicht so zuvorkommend wären, uns ebenfalls einzuweihen.«
»So gesehen hast du natürlich recht.«
»Adina ist wie ein Schachspieler. Sie plant einen Zug und überlegt sich gleichzeitig, welche Konsequenzen dieser Zug auch mehrere Züge später haben kann. Aber zurück zu ihrer Vorgehensweise. Die einzige Möglichkeit für Adina, ihren Feind zu stellen, ist also, ihn in eine Falle zu locken. Ich vermute nun, dass sie damit rechnet, dass Aramis – so will ich ihn in Zukunft nennen – sie ebenfalls sucht. Sie wird annehmen, dass er ihre Adresse herausfindet und hier auftaucht. Und wie wir wissen, hat sie mit dieser Vermutung recht.«
»Du nennst ihn Aramis, damit du nicht Dr. Bretschneider sagen musst«, warf Sandra ein und schaute Karin prüfend an.
»Ja. Ich kann und will mir einfach nicht vorstellen, dass Mario mit dem dritten Vergewaltiger identisch ist und solange es nicht bewiesen ist, ist er es für mich auch nicht.«
»Du magst ihn, stimmt’s?«
Karin musste nicht lange überlegen, sie hob ihre Hand und spreizte Daumen und Zeigefinger ab. »Zwei Gründe sind es, die mich hoffen lassen, dass Mario nicht der Täter ist. Erstens: Er ist der beste Rechtsmediziner, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe. Ihn zu verlieren, wäre in beruflicher Hinsicht ein großer Verlust. Und zweitens: Ich mag diesen großen Jungen. Nicht,wie eine Frau einen Mann mag, eher so wie eine Schwester ihren kleinen Bruder.«
Diese Worte hätten Sandras Lippen zu anderer Zeit eine spitze Bemerkung entlockt, doch zu ernst war die Situation, in der sie sich befanden. Karins Stimme wurde eindringlicher, als sie weitersprach. »Ich gehe nun mit meiner Argumentation ein Stück weiter. Unterbrich mich bitte, sobald dir daran etwas nicht logisch erscheint.«
»Geht klar«, Sandra legte die Kopien neben sich und konzentrierte sich ganz auf Karin.
»Also, wenn Aramis in dieser Wohnung erscheint, dann muss Adina zwei Dinge gewährleisten. Sie muss ihm ein Zeichen geben, dass sie mit seiner Ankunft rechnet und sie muss ihn dabei sehen. Ich vermute ganz stark, dass die Übertöpfe der Pflanzen das Zeichen für Aramis sind. Adina hat ihre Pflanzen bei der Nachbarin abgegeben. Es macht Mühe, die Pflanztöpfe aus den Übertöpfen zu nehmen, vor allem, da einige der Töpfe hoch sind, sie musste extra tief neben den Pflanztöpfen hineingreifen, um die Gewächse herauszuheben. Und ich habe auch Wurzelreste in den Übertöpfen entdeckt, solche Pflanzen nässen nach dem Giesen. Das wusste Adina und sie wusste auch, dass ihre Nachbarin zusätzliche Arbeit hat, da sie gezwungen ist, Ersatz für die fehlenden Töpfe zu besorgen. Ob Aramis dieselben Schlüsse wie ich gezogen hat, ist wieder eine andere Frage. Ich denke mir, eher nicht, sonst hätte er es sich gespart, die Wohnung zu durchsuchen. Hier weißt Adinas Logik Löcher auf. Sie selbst hätte so ein Zeichen richtig interpretiert, ich ebenfalls. Aber wenn ein Mensch sich nicht für Grünpflanzen interessiert, sind die Übertöpfe für
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