Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Trampelpfad hinein und erreichte ein dichtes Gebüsch. Hier bezog sie Stellung. Es war empfindlich kühl, aber die Wetterjacke wärmte sie
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Sie gratulierte sich zum Kauf eines Feldstechers. Diesen hatte sie gestern, als sie die gesamte Wanderausrüstung kaufte, einer inneren Stimme gehorchend, mitgenommen. Jetzt leistete er ihr gute Dienste. Trotz der Entfernung war das Haus für sie zum Greifen nah. Die Fensterläden waren noch geschlossen, es regte sich nichts
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Da ihr Rucksack Proviant und eine Thermosflasche mit heißem Kaffee enthielt, holte sie ihr Frühstück nach und wärmte sich mit Hilfe des Getränks
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Ihre Geduld wurde belohnt. Nach einer Stunde des Wartens, als sie eben in den Büschen ihre Blase entleert hatte und wieder durch das Fernrohr blickte, sah sie ihn. Er kam in den Garten, bewaffnet mit einem Spaten und machte sich an die Gartenarbeit. Sie sah ihn deutlich. Ja, er war es, ohne Zweifel. Ihr Mund wurde vom Hass trocken, er und die anderen hatten ihr das Einzige genommen, wofür es sich zu leben lohnte. Er würde es nicht so leicht haben wie sein Vorgänger. Er würde leiden. Sie würde den dritten Namen von ihm erfahren
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Sie beobachtete ihn längere Zeit. Gegen 9 Uhr unterbrach er seine Arbeit und ging in das Haus. Kurz darauf kam die Postbotin. Er musste es bemerkt haben, denn kaum war sie weg, leerte er den Briefkasten. Nach einer knappen Stunde kam er aus dem Haus und widmete sich wieder seiner Arbeit. Offensichtlich lebte er allein, sie konnte keine weiteren Bewohner ausmachen
.
Sie säuberte gewissenhaft ihren Beobachtungspunkt, bevor sie sich auf den Rückweg machte, dabei achtete sie peinlich genau darauf, keine Spuren zu hinterlassen. Sie hatte sich in den letzten Tagen sehr verändert. Ihre Anspannung war einer Kaltblütigkeit gewichen, die sie noch nie zuvor empfunden hatte. Ihr Handeln wurde von Effektivität und Vorsicht bestimmt, und während ihres Marsches nach Weißig nahm der mörderische Plan in ihrem Hirn Gestalt an
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Karin stellte vorsichtig Kaffee für Sandra und Frühstück für sie beide, welches sie gerade in einem Backshop gekauft hatte, auf der Rückbank ihres Autos ab. Sandra hatte sie angerufen und gebeten, sie vom Zahnarzt abzuholen. Sie musste nicht lange warten. Sandra kam fröhlich auf ihr Auto zu und stieg ein.
»Danke, dass du mich abholst. Mir ist gestern Abend beim Essen eine Füllung herausgefallen und ich wusste nicht, wie schlimm es wird und ob ich eine Spritze bekomme. Da fuhr ich lieber mit Bus und Bahn hierher, da man doch nach einer Betäubung nicht Auto fahren soll. Aber es ging ohne Narkose und problemlos. Ich bin jedenfalls froh, dass ich eine Zahnärztin gefunden habe, die mich gleich heute Morgen behandelt hat. Da ich bis jetzt in Dresden noch keine feste Zahnärztin habe, werde ich ab jetzt immer zu ihr gehen.«
»Da hast du Glück, ich habe mir schon Sorgen gemacht. Es hätte ja auch etwas Ernstes sein können. Da ich annahm, dass du noch nicht gefrühstückt hast, habe ich etwas zu essen und zu trinken für dich bereitgestellt. Darfst du schon kauen?«
»Du bist ein Schatz. Meine Kunststofffüllung wurde mit Licht gehärtet, da darf ich gleich essen. Das einzig Schlimme an meinem Zahnarztbesuch war ein Mann, der mir im Wartezimmer während der gesamten Wartezeit sein Herz ausschüttete und sämtliche seiner Krankheitsverläufe vor mir ausgebreitet hat.«
Karin nickte anteilnehmend. »Das kenne ich. Aber seit mir auch in einem Wartezimmer, gerade als eine Wahl anstand, ebenfalls ein Mann mit seiner Wahlpropaganda den letzten Nerv raubte, habe ich für solche Fälle vorgesorgt.«
»Und wie wappnest du dich gegen solch einen unerwarteten Angriff?«
Statt einer Antwort zog Karin eine Visitenkarte aus ihrer Brieftasche und reichte sie Sandra. Statt ihrer Daten hatte Karin folgende Worte auf die Karte gedruckt:
Ich bin taubstumm.
Leider kann ich aus diesem Grund
nicht mit ihnen kommunizieren.
Sandra lachte laut los. »Die Karte ist spitze! So eine drucke ich mir auch. Karin, du bist genial.«
»Diese Karte hat mich schon einmal vor sehr extremem Nervenzellenabbau bewahrt«, erzählte Karin. »Ich fuhr mit der Straßenbahn, da setzte sich eine Frau neben mich und wollte ihren gesamten Frust über eine nicht erfolgreiche Reklamation über mir ausschütten, da zeigte ich ihr diese Karte.«
Sandra, die bereits ein Sandwich verputzt hatte, spülte mit Kaffee nach, als Karin ihre Erzählung beendete: »Und nun stell dir vor, die Dame hat
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