Vollstreckung - Sturm, A: Vollstreckung
Kriminalhauptkommissarin Wolf. Gibt es hier einen Ort, wo ich Sie unter vier Augen und vor allem ungestört sprechen kann?«
»Nein, leider nicht. Mein Arbeitsplatz ist in einem Großraumbüro und zu anderen Räumen habe ich leider keinen Zutritt. Ich melde mich rasch ab und dann komme ich zu Ihnen. Wenn es Ihnen Recht ist, gehen wir einfach ein Stück.«
Karin war einverstanden, und nachdem Frau Schlott fertig war, schlugen die beiden Frauen den Weg zur Elbe ein. An einem Wochentag wie diesem trafen sie nur wenige Spaziergänger bei ihrer Wanderung entlang des Flusses.
Karin eröffnete das Gespräch: »Es tut mir leid, dass ich Sie von ihrem Arbeitsplatz fortreiße, aber die Sache duldet keinen Aufschub. Ich hoffe, Sie bekommen keinen Ärger.«
»Da machen Sie sich keine Gedanken, ich bin bereits gekündigt und schlimmer kann es da nicht werden. Die Stellen werden reduziert, verstehen Sie?«
»Das tut mir leid für Sie, aber statt Sie nun aufzumuntern, muss ich Ihnen die nächste Hiobsbotschaft überbringen. Frau Schlott, Ihr Mann wurde heute Morgen tot aufgefunden, er wurde Opfer eines Verbrechens.«
Frau Schlott ging weiter und sagte erst einmal gar nichts. Nach einer Weile blieb sie stehen und schaute über den Strom. »Der Frühling kommt dieses Jahr wieder sehr zeitig. Morgens, auf dem Weg zur Arbeit, höre ich schon immer die Vögel zwitschern. Als ich noch auf dem Land wohnte, habe ich das gar nicht so beachtet, aber in der Stadt fällt es mir auf.«
Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie zu einer Bank und ließ sich nieder. Karin setzte sich auch und fragte: »Wie geht es Ihnen, soll ich einen Arzt verständigen?«
»Nein, nein. Das ist nicht nötig. Ich habe vor drei Jahren aufgehört meinen Mann zu lieben und ich komme ohne Beistand über Peters Tod hinweg.«
Nach diesen Worten saß sie einfach nur still da und hing ihren Gedanken nach. Karin war einfühlsam genug, sie nicht zu stören. Frau Schlott brach selbst nach geraumer Zeit ihr Schweigen: »Ich hätte nicht gedacht, dass es mich noch trifft zu hören, dass Peter tot ist, denn innerlich habe ich mich vollständig von ihm entfernt. Ich denke auch, dass ihn die Strafe für seine Tat ereilt hat. Glauben Sie an Gott und die Vorsehung, Frau Wolf?«
»Ja. Ich bin zwar keine Kirchgängerin, aber ich glaube an Gott.«
»Dann verstehen Sie mich. Peter hat ein Verbrechen begangen und dafür wurde er nun bestraft.«
»Welches Verbrechen meinen Sie, Frau Schlott?«
»Ich habe am Gericht als Schöffin gearbeitet und vor drei Jahren musste ich von anderen Menschen erfahren, dass mein Mann beschuldigt wurde, eine Frau vergewaltigt zu haben. Damals brach meine Welt zusammen. Ich stellte meinen Mann zur Rede, er bestritt die Vorwürfe, aber mich konnte er nicht belügen. Auch der Umstand, dass er es mir nicht von sich aus gesagt hatte, dass ich es von Fremden erfahren musste, klagte ihn an. Die Anklage wurde damals fallen gelassen, aber ich wusste, dass er schuldig war. Sein ganzes Verhalten änderte sich in dieser Zeit. Er war schon immer auf Ordnung bedacht, doch dann wurde daraus eine Obsession. Sobald ein Einrichtungsgegenstand sich nicht mehr exakt in dem von ihm entworfenen imaginären Raster befand, sprang er auf und korrigierte das. Seine Seele war in ein Chaos geraten und er versuchte sein Inneres durch eine penible Umwelt wieder zu flicken. Ich konnte nicht mit einem Mann leben, der etwas derart Furchtbares getan hatte. Ich verließ ihn und seit der Scheidung hatte ich keinerlei Kontakt mehr zu ihm.«
Karin kramte ein Foto von Joachim Haase aus ihrem Rucksack und zeigte es Frau Schlott.
»Kennen Sie diesen Mann?«
»Ja, das ist Herr Haase, er ist der Steuerberater unserer Firma und der Mittäter meines Mannes.«
»Sie sagen ›unserer Firma‹?«
»Die Firma gehörte zu gleichen Teilen meinem Mann und mir. Bis ich meinen Mann verließ, habe ich auch in der Firma gearbeitet. Bei der Scheidung bekam ich meinen Anteil ausgezahlt. Deshalb trifft mich die jetzige Kündigung auch nicht ganz so hart. Ich verfüge über ein finanzielles Polster.«
»Wissen Sie, ob Ihr Mann und Herr Haase außerhalb der Firma noch Kontakt pflegten?«
»Das war so eine Männersache«, sagte Frau Schlott und verdrehte dabei ihre Augen. »Immer freitagabends gingen die Zwei und noch ein dritter Skat spielen und saufen.«
»Wissen Sie, wer der dritte Mann war?«, fragte Karin aufgeregt.
»Leider nein. Haase kannte ich von der Arbeit, aber den dritten Mann nicht.
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